Alta Valtellina

Tag 39, 8.8.:


Das Frühstück im etwas in die Jahre gekommenen Hotel Teola überrascht uns positiv. Es gibt fast alles was man sich nur wünschen kann und ist somit das Gegenteil eines typisch italienischen Frühstücks.

Gestärkt steigen wir in den Bus, der uns kostenlos zum südlichen Ortsende von Livigno, nach Forcolo, bringt.

Auch im Sommer sieht man es: Livigno ist ein optimierter Skizirkus

Die Durchschreitung des Ortes wollen wir uns nicht antun.

Wir gehen mit vielen anderen italienischen Wandernden von der Alpe Vago am gleichnamigen Torrente entlang bis zu seinen beeindruckenden Kaskaden. Ich finde eher das Tal insgesamt bemerkenswert. Grün-Erlen (rechts im Bild) übernehmen hier als Pionierpflanze das Regiment in der nicht mehr intensiv betriebenen Alpwirtschaft.

Grün-Erle

Hier, nach ca. 1,5 Std. und nach Besichtigung der Cascate della Valle Nera, ist der Wendepunkt für die meisten. Danach sind wir mal wieder fast allein unterwegs und haben einen wunderschönen, weiten Talabschluss im Val di Campo vor uns. In den Pyrenäen hätte er den Name „Cirque de Campo“. Macht was her.

An einer Kaskade entlang geht es hinauf zu mehreren schönen Bergseen …

Lagi Valletta

… bis wir am Pass da Val Mera auf 2660Hm die Schweizer Grenze erreichen. Auch hier wieder soviel tolle Landschaft … Wandern auf dem Sentiero Italia ist wirklich wunderbar.

Noch 600Hm bergab bevor wir den märchenhaft schön gelegenen Lagh da Saoseo erreichen, der als einer der schönsten Bergseen der Schweiz angesehen wird. Das können wir nur bestätigen.

Lagh da SaoSeo

Eigentlich wollen wir in diesem in einer ausgiebigen Pause baden. Doch die fortgeschrittene Zeit erlaubt leider nur ein kurzes Fußbad.

Weitere Seen begleiten uns beim Aufstieg zum Pass da Viola.

Lagh da Val Viola

Gleichzeitig bietet der Rückblick einen Einblick in die noch vorhandene Gletscherwelt der Berninagruppe. Wir sind hin und weg.

Wir spüren unsere müden Füße und Gelenke kurz vor dem Passo di Viola und wechseln wieder nach Italien. Das Rifugio Viola ist hübsch gelegen an den Viola-Seen.

Seine Architektur ist außen eigenwillig und gewöhnungsbedürftig: SchießschartenBauhaus. Innen ist es praktisch und gleichzeitig mit Liebe zum Detail und altem, wiederverwertetem Material restauriert.

Sala da Pranzo

Wir kommen exakt zur Abendessenszeit (19:30 Uhr) an und bekommen eine Vollversorgung, die wir auch dringend nötig haben. Müde fallen wir nur noch in die Betten.

Tag 39, 8.8: Forcola -> Rifugio Viola – 9,2 Std. – 16,5km – /1219Hm – \826Hm

Tag 40, 9.8.:


Das Rifugio Viola ist anerkannter Stützpunkt  für den Sentiero Italia und wirbt sogar mit einer Flagge damit.

Abschied vom Haus am See auf ca. 2314Hm.

Wir machen uns auf gemäßigtem Weg (und dennoch offiziell für MTBler ungeeignet) zur Alpe Dosdè, wo uns zum ersten Mal auf dieser Alpenwanderung Genepi angeboten angeboten. Die Versuchung ist groß, doch wir widerstehen ihr (diesmal noch).

Alpe Dosdè

Im Val Viola bekommen wir die Sicht auf die Gletscherreste der Cima Viola geschenkt.

Und wieder nehmen wir eine fast endlose Weite im Talabschluss vom Val Viola wahr. Das alpine Italien ist wirklich ein weites Land.

Der Anstieg zum Passo ist steinig und still.

Erst kurz vor dem Ziel sehen wir das Dach der Capanna Dosdè.

Sie wurde 1982 komplett neu aufgebaut, bevor sie in einem der beiden Weltkriege zerstört wurde.

Wie ein Schwalbennest klebt sie über dem Val Roasco, nur umgeben von einem großen Felsenmeer mit Blick auf den Lago Negro.

Heute sind in der Capanna Dosdè Bergsteigende und -wandernde willkommen und können die elementare Ausstattung kostenfrei nutzen und sie, wenn möglich, in einem besseren Zustand hinterlassen als sie sie vorgefunden haben.

Schon um 13:30 Uhr ist unsere heutige Etappe abgeschlossen. Wir legen einen halben Ruhetag ein, der uns gut tut.

Mit zwei jungen Italienern, Luca und Giacomo, teilen wir uns die Capanna Dosdè.

Es wird ein geselliger Abend. Wir laden sie zum Risotto ein und Lady C. erhält Tipps, wie man ein gutes Pizzoccheri macht und welche Käsesorten dafür am besten geeignet sind.

Am Abend bekommen wir noch Himmelsfarbspiele als Dessert geboten.

Es ist immer wieder berührend und macht still.

Tag 40, 9.8: Rifugio Viola -> Capanna Dosdè – 4,2 Std. – 8,3km – /687Hm – \195Hm

Tag 41, 10.8.:


So wie der Abend endete, so beginnt der Morgen. Draußen hat es 9°. Nicht so kalt für 2824Hm. Die Wolken schlagen wie Wellen gegen die Berge.

Wir laden unsere Mitbewohner zu einem Kaffee ein. Die Freude darüber bei ihnen ist groß, weil sie keinen Kocher mitgenommen haben, um sich etwas Warmes zu machen.

Team Dosdè

Um 8:15 Uhr starten wir in den Tag. Noch ein Rückblick und die Capanna verschwindet hinter den Felsen.

Das folgende Blockgelände im Abstieg fordert viel Aufmerksamkeit. Am Lago Negro ist die zeitraubende Passage vorbei.

Die Wolken hängen tief. Nach gut 600Hm Abstieg erreichen wir den Lago di Tres erleben Zeitzeugen vergangener Alpwirtschaft …

… und können Frischwasser am Brunnen abfüllen. Das können wir beim nächsten Steilanstieg zum Passo di Vermola  (2732Hm) gut gebrauchen.

Passo di Vermola

Suchbild: Zwei andere Wandernde befinden sich schon im Aufstieg.
Die Wolken machen das Ganze etwas unheimlich und wir kreieren daraus den Passo ‚Voldemort‘.

Uns begleiten Markierungen des ersten Versuchs, in der 1980ern einen Sentiero Italia zu etablieren. Dieser ist mangels dauerhaften Interesses und Engagements fehlgeschlagen.

Auch gibt es neuerdings weitere Versuche, vorhandene Wege mit neuen Namen zu belegen und so Wandernde …

… und MTBler für das Alta Valtellina zu interessieren.

Kurz vor unserem Tagesziel, dem Refugio Malghera, können wir noch gestapelte Steinhaufen bewundern.

Sie haben den Sinn, mehr durchgehedene Wiesenfläche für die Heuernte zu schaffen. Welch eine enorme Arbeit vorheriger Älplergenerationen!!

Im Refugio Malghera sind wir auch ohne Reservierung willkommen und lernen ein Schweizer Paar kennen, das grenzschlängelnd zwischen Italien und der Schweiz unterwegs ist.

Das Abendessen ist phantastisch und für mich das Beste bisher auf unserer Alpenwanderung: Pizzoccheri mit einer speziellen Würzmischung, Osso Bucco mit Kartoffeln, Möhren und Salat! (selten hier), verschiedene selbstgemachte Plätzchen (z.B. aus Kastanienmehl) und Küchlein (z.B. Halbgefrorenes mit weißer Schokolade) und Espresso. Dazu waren Wein und Wasser inkludiert. Völlig abgefüllt und gesättigt steigen wir in die Betten.

Tag 41, 10.8: Capanna Dosdè -> Rifugio Malghera – 8,2 Std. – 13,6km – /574Hm – \1415Hm

Tag 42, 11.8.:


Ich bin am Morgen noch pappsatt  vom gestrigen Abendessen. Mir reicht ein kleines, süßes Frühstück bestehend aus Kaffee und zwei kleinen Marmeladenbroten.

Die heutige Etappe ist identisch mit der Via Alpina ‚rot‘ und geht auf alten Militärwegen und Mulattieri auf der Höhe des Valtellina entlang.

Das Rifugio Malghera (1960Hm) ist das größte Haus des Dorfes und stilgerecht eingebettet.

Malghera

Unser Weg führt an Almen vorbei, die hier nicht so herausgeputzt und ordentlich aussehen wie in Südtirol. Doch irgendwie ist es echt und nicht so gefällig, was mir wiederum gefällt.

Wir bewegen uns heute stets zwischen 1900Hm und 2200Hm. Auf einer Lichtung finden wir die Baita Grassello, die in meiner Karte nicht eingezeichnet ist.

Die Ausstattung und Lage laden zum Bleiben ein und gleichzeitig zieht es uns weiter.

Der Höhenweg wird seinem Namen gerecht …

… und eröffnet Tiefblicke ins bebaute  Valtellina mit seinen vereinzelten Obstplantagen.

Wir hören Baggergeräusche und sehen  wie dieser einen neuen Weg zur hoch gelegenen Alpe Salina in den Hang fräst.

Ob dies langfristig immer so sinnvoll ist, bezweifle ich mal. Nicht jede Alpe wird in Zukunft weiter bewirtschaftet werden. Der Schaden, der diese Art von Wegebau anrichtet, bleibt mittel- bis langfristig. Tröstlich: irgendwann holt sich die Natur die Fläche wieder zurück, – wie alles 😉

Am frühen Abend erreichen wir das Rifugio Schiazerra. Es ist eine Hütte, die von Freiwilligen unentgeltlich betrieben wird. Der Gewinn wird teilweise Bildungs- und Entwicklungsprojekten in Peru zu Verfügung gestellt.

Entsprechend familiär und improvisiert geht es hier zu. Eine angenehme Atmosphäre, insbesondere wenn die Gaststube am Abend mit einem Ofen beheizt wird und fast alle um diesen herumsitzen.

Tag 42, 11.8: Rifugio Malghera -> Rifugio Schiazzera – 8,3 Std. – 19,7km – /875Hm – \759Hm

Tag 43 , 12.8.:


Obwohl eine Kinder- Jugendfreizeit im Rifugio Schiazerra stattfindet …

… ist die Nacht ausgesprochen ruhig und erholsam.

Das obligatorische Abschiedsfoto von der Hütte…

Rifugio Schiazerra

… und abwärts geht’s auf alten Maultierpfaden …

… einfacher als erwartet.

1000Hm tiefer sehen zum ersten Mal Tirano, unser heutiges Ziel.

Weitere 600Hm tiefer säumen Flieder, Hibisken, Oleander, Feigen- und Olivenbäume unseren Weg. Obst- und Weinanbaugebiete wechseln sich ab. Wir haben direkten Zugriff auf Nebbiolo-Trauben …

und kommen in einem netten B&B in der Altstadt von Tirano unter.

Lady C. erfüllt sich für morgen noch einen Traum … wird noch nicht verraten.

Zur Halbzeit gehen wir heute im ‚Parravicini‘ essen&trinken.

Pizzoccheri, so wie es sein sollte …

Es lohnt sich zum einen wegen der Vielfalt der Nebbiolo-Weine, die hier im Valtellina angebaut und gekeltert werden, und zum anderen wegen der besonders guten Zubereitung der Pizzoccheri. Ancora tutto bene.

Tag 43, 12.8: Rifugio Schiazzera -> Tirano – 6,6 Std. – 10,6km – /33Hm – \1667Hm

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