Tag 19 – Mittwoch, 17.7.: Rifugio delle Marmotte – Rhemes-Notre-Dame – Bus nach Planaval
Eigentlich soll es heute weitergehen auf der Alta Via Aosta. Doch ein Blick auf den Col del Fenestri …
… und eine noch nähere Betrachtung …
… als auch einige Berichte der Hüttenwirtin halten uns davon ab, diese Etappe anzugehen. Das zu überwindende Schneefeld hat eine Steigung von ca. 50%. Außerdem sind Schneefelder im Sommer für Mr. B. ein neues Erfahrungsfeld.
Wir beschließen, die Etappe zu überspringen und das nächste Etappenziel, Planaval, mit dem Bus anzusteuern.
Nach kurzem, einfachen Abstieg vom Rifugio delle Marmotte erreichen wir Rhemes-Notre-Dame, ein schickes Dörfchen im Aosta-Seitental Rhemes.
Zwei Busfahrten, viel Wartezeit und ca. 5 Stunden später befinden wir uns im Valgrisenche, einem weiteren Seitental des Val Aosta. Via Internet haben wir uns in das einzige Hotel in Planaval eingebucht. Der günstige Preis überrascht uns etwas.
Im Gespräch mit der Wirtin stellt sich heraus, dass das Valgrisenche die Destination für Heli-Skiing in den Alpen ist.
Im Winter treffen sich hier die zu gut Betuchten, um sich mit Helikoptern in Tiefschneegebiete fliegen zu lassen (inkl. des dazu passenden Beitrags zur Klimaveränderung), um es sich nach einem tollen Powder-Erlebnis in unserer heutigen Unterkunft richtig gut gehen zu lassen. Entsprechend sieht die Speise- und Getränkekarte aus.
Erstaunt und desillusioniert steigen wir in die Betten, um morgen so früh wie möglich zu verschwinden. Hier haben wir nichts verloren.
Tag 19 – 2,6 km – / 0 Hm – \ 440 Hm
Tag 20 – Donnerstag, 18.7.: Planaval – Bivacco Zappelli
Um 6:30 Uhr sind wir tatsächlich bereit, – nagut: 6:35 Uhr. Auf der Website, die die Alta Via Aosta beschreibt, ist für unsere heutige Etappe eine Wegunterbrechung wegen Regenschäden beschrieben. Ein Umweg wird empfohlen, dem wir folgen.
Er entpuppt sich als wirklich schöner Weg, der nicht so viel begangen wird. Neben einigen Details …
… bekommen wir auch große Aussichten geboten. Lady C. positioniert sich in Caspar-David-Friedrich-Manier.
Immer wieder beeindruckt mich die Blumenvielfalt.
Eine ‚kleine‘ Wasserkaskade am Wegesrand zeigt, welche Kraft hinter diesem ‚weichen‘ Element steckt.
Nach einer ausgiebigen Mittagspause (inkl. powernap von Mr. B.) am Lago di Fond steigen wir weiter auf mit fantastischer Sicht auf die Testa del Rutor (3486 Hm). Aber Achtung: Es geht nur eines: Laufen oder Schauen.
Am Col de la Crosatie (2814 Hm) werden wir mit einem Blick auf den Mont Blanc gigantisch belohnt.
Luftig geht es mit Fixseilen abgesichert …
… und durch eine gestufte Weganlage erleichtert …
… hinab über schmale, steile Pfade, …
… immer eine fantastische Aussicht auf den Walliser Hauptkamm vor Augen.
Schönheiten am Wegesrand werden dabei nicht vergessen.
Nach etwa 11 Stunden erreichen wir unser Ziel, das Bivacco Zappelli.
Eine sehr komfortable Selbstversorger-Unterkunft, die das in 2014 durch eine Lawine zerstörte Bivacco ersetzt – natürlich an einer sichereren Stelle.
Gemeinsam mit zwei Männern (Südafrika, England), einem m/w-Paar aus Italien und zwei italienischen jungen Männern, die sehr spät eintreffen, weil sie in Turnschuhen albtraumähnlich Schneefelder und Blockgelände überquert haben, verbringen wir hier die Nacht.
Tag 20 – 13,5 km – / 1691 Hm – \ 978 Hm
Tag 21 – Freitag, 19.7.: Bivacco Zappelli – Rifugio Deffeyes
Auch wir dürfen am nächsten Morgen (nachdem wir das Bivacco aufgeräumt verlassen haben) uns über Schneefelder …
… und präpariertes Blockgelände …
… dem Passo Alto (2858 Hm) langsam nähern.
Beim Abstieg gönnen wir uns einen Seitenblick auf die noch in Wintermäntel eingehüllten Laghi di Usselettes.
Kurz vor Tourende zapft Mr.B. in einem kleinen Landschaftsparadies nochmal Wasser.
Im Wasser stehende Gräser haben ein mir unerklärliches Farbspiel.
Am Nachmittag erreichen wir nach kurzer und gleichzeitig konzentrativ anstrengender Etappe das Rifugio Deffeyes (2478 Hm). Die Hütte füllt sich allmählich mit Übernachtungsgästen (mehrheitlich aus Frankreich). Die Tagesgäste (mehrheitlich aus Italien) machen sich auf zum Abstieg nach La Thuile. Wir füllen unsere Flüssigkeitsspeicher mit Bier auf (jaja, ich weiß, das ist nicht so ganz sinnvoll, schmeckt aber gut).
Die Hütte kann mehr Übernachtungsgästen ein Bett anbieten als sie Platz in den zwei kleinen Gasträumen hat. Die Lösung dafür ist, dass in zwei Schichten (19:30, 20:00) das Abendessen ausgegeben wird. Kurios dabei ist, dass die um 19:30 Uhr Essenden nach ihrem Essen keinen Platz mehr im Gastraum haben und sich entweder fürs Draußensein (kalt) oder Zubettgehen (zu früh) entscheiden können. Ein netter Tagesabschluss in Hüttenatmosphäre entfällt daher.
Mr. B. macht noch einen Abendspaziergang und wird mit einem fantastischem Abendhimmel über dem Mont Blanc belohnt.
Tag 21 – 5,2 km – / 623 Hm – \ 416 Hm
Tag 22 – Samstag, 20.7.: Rifugio Deffeyes – La Thuile
Wir ändern mal wieder unsere Pläne. Am Sonntag soll es tagsüber wie aus Eimern regnen. Außerdem revoltiert mein Magen seit dem Abendessen und -trinken auf dem Rifugio Deffeyes. Ein daraus resultierender unruhiger Schlaf macht mich zusätzlich müde.
Wir beschließen, in La Thuile einen ‚Zero day‘ einzulegen. Doch zunächst geht es gute 1200 Hm bergab.
Vom Rifugio Deffeyes gibt es einen tollen Ausblick auf den Grand Assaly (3173 Hm).
Vor der Hütte präparieren sich nach einem Mehrschichtfrühstück die Übernachtungsgäste für ihre Touren: Bergwanderung, Klettertour, Hochtour, …
Unser Abstieg nach La Thuile ist zunächst steil und einsam. Mal wieder Zeit für Details.
Je weiter wir nach unten kommen, begegnen uns immer mehr Menschen, deren Ziel das Rifugio Deffeyes ist. Es gibt viel zu tun für die Küche.
Wir nähern uns einem starken Rauschen und plötzlich und unerwartet steht vor uns ein Regenbogen im Wald.
Ursache ist die Cascate del Rutor mit ihrer Gischt, die durch die herabstürzenden Wassermassen erzeugt wird. Hier ein schwacher Versuch, diese Macht in einem Bild darzustellen.
Ab diesem Punkt fängt der Touristik-Betrieb an. Verständlicherweise möchten viele Menschen eine solche Attraktion sehen. Die dafür notwendigen Straßen und Parkplätze sind nicht weit entfernt.
Teils auf Straßen wie auch auf Nebenwegen, nähern wir uns La Thuile, einem typischen Wintersportort mit etwas Sommertourismus. Das Touristenbüro vermittelt uns kurzfristig ein recht erschwingliches Hotel für zwei Nächte, damit ein verregneter Zero day möglich wird.
Tag 23 – Sonntag, 21.7.: La Thuile
Es regnet nicht ganz soviel wie angekündigt. Gleichzeitig ist der Tag für uns eine Erholung, auch weil das Hotel ein für italienische Verhältnisse wunderbares Frühstück und eine familiäre Atmosphäre bietet.
Morgen ziehen wir weiter.
Tag 24 – Montag 22.7.: La Thuile – Rifugio Soldini
Völlig aufgefrischt starten wir nach einem köstlichen Frühstück im Hotel du Glaciers recht früh, um genügend Zeit für die lange Etappe zu haben.
Aus dem Skitouristikort La Thuile führt die Alta Via Aosta abwechselnd auf Straße und Mulattiere hinaus und entlang lieblicher Alplandschaft.
In diesem Jahr gibt es nur Wege mit natürlicher Randbepflanzung durch Blumen.
Das lang gestreckte Val Chavannes ist durch einfache Alpwirtschaft geprägt. Ein Alpfahrweg führt uns lang-sam und etwas -weilig aber stetig hinauf …
… zum frischwindigen Col de Chavannes …
… wo die Szenerie abrupt ins Alpine wechselt. Der Wind pfeift uns um die Ohren. Kühl ist es hier oben.
Es geht auf Schotter bergab, …
… bevor wir unsere nächste Aufgabe bekommen.
Kurz vor unserem heutigen Ziel ist vor zwei Wochen eine Brücke beim Starkregen weggespült worden. Zu faul für den ausgewiesenen Umweg, suchen wir uns einen Übergang durch den Bach. Schuhe und Socken ausziehen – und barfuß geht es durch das ziemlich kalte Fließgewässer.
Das Rifugio Soldini liegt eingebettet von Gletschern in grandioser Umgebung von Aiguille de l’Aigle (3553 Hm) und dem Petit Mont Blanc (3431 Hm). Es liegt am Kreuzungspunkt von Alta Via Aosta und und der Tour de Mont Blanc.
Entsprechend gefüllt ist die Hütte. Es geht freundlich und ziemlich systematisch zu. Anders ist, glaube ich, eine solche Hütte mit so großem Gästedurchsatz nicht zu führen.
In der Sommersaison kommen und gehen jeden Tag jeweils etwa 80 Gäste. 95% davon sind auf der Tour de Mont Blanc (TMB) unterwegs. Muster: jung, daher meist weniger erfahren; gleichzeitig mit allem ausgestattet, was eine Ausrüstungsliste für die TMB zu bieten hat -> meist überladene Rucksäcke; mit vollem Elan; international aus fast allen Erdteilen und vielen Nationen.
Ich glaube, die Tour ist für junge Menschen ein guter Einstieg ins mehrtägige Hüttenwandern, wenn man auf dem Weg und in den Hütten gern und viel Kontakt zu anderen jungen Menschen jeglicher Couleur haben möchte.
Etwas traurig darüber, das morgen unser letzter gemeinsamer Tag mit Mr. B. anbricht, mache ich mich ins übervolle und -hitzte Massenlager.
Tag 24 – 17,5 km – / 1238 Hm – \543 Hm
Tag 25 – Dienstag, 23.7.: Rifugio Elisabetta Soldini – Val Veny – Busse nach Courmayeur und Aosta
Erleichtert verlassen wir die für uns viel zu volle Hütte. Wir mögen es einfach einsamer und reduzierter.
Und gleichzeitig liegt sie in einer fantastischen Umgebung, so dass ich tief beeindruckt bin.
Auf einem Fahrweg steigen wir durch das Val Veny ab. Der Weg ist langweilig, die Aussicht weiter atemberaubend.
Der Gletscherschwund lässt sich hier gut beobachten.
Noch keine hundert Jahre ist es her, da reichten die Eismassen des Gletschers bis unten rechts in die Ecke des Bildes. Jetzt ist es, als wenn der Gletscher Tränen vergießt und sie zu Tal rinnen lässt.
Im unteren Val Veny haben wir Glück und bekommen direkt eine Busfahrt bis hinunter nach Courmayeur, dem Winter- und Bergsportort in Italien direkt unter dem Mont Blanc.
Das Städtchen ist im Kern noch schön gestaltet, das Angebot an Konsumation gleicht zum Verwechseln stark anderen Touristik-Orten wie Oberstdorf, Livigno, Aosta und Chamonix.
Nach Aosta fahren wir weiter mit dem Bus, um dort in einem Apartment einzuchecken. Mr.B. lädt uns zum Abschied in eine gute Osteria zu Abend ein. Herzlichen Dank dafür.
Es ist total heiß (36°) draußen und wir können deswegen am Abend kaum einschlafen.
Tag 25 – 6,6 km – / 40 Hm – \ 500 Hm
Nachtrag: Am Morgen gehen wir gemeinsam zum Bus, der Mr. B. über Ivrea nach Turin und von dort mit dem Flugzeug nach Frankfurt bringt. Als Amerikaner ist das für ihn das Normalste der Welt, auch solch kurze Strecken mit dem Flieger zu überbrücken.
Auf jeden Fall werden wir Mr. B. in den nächsten Tagen vermissen. Unser Englisch verschwindet wieder etwas in den Hintergrund. Dafür wird das Französische mehr hervorgehoben. Warum? Darüber später mehr.
Fazit: Alta Via Aosta Nr. 2
Die Aosta-Region ist touristisch gut erschlossen und darin eingebettet ist die Rundwanderung Alta Via Aosta 1 und 2 (AV1 und AV2).
Wir sind in diesem Jahr hauptsächlich Teile der AV2 gegangen, insbesondere wegen des immer noch vielen Schnees in den Schattenlagen der hohen Pässe. Landschaftlich waren die Etappen reizvoll und aussichtsreich, herausfordernd von der Streckenlänge waren sie auch. Die Wege sind etwas ausgelatscht, was auch mit der Tor des Geants zu tun hat, die jährlich im September über 1200 Teilnehmende anlockt. Die häufigen Gänge ins Tal, die ein Merkmal der AV2 sind, haben mich etwas gestört. Es ist keine ganz einsame Bergregion, gleichzeitig eine mit fantastischen Landschaften, freundlichen und lebensfrohen Menschen und gutem Essen.
Es hat wieder Spaß gemacht, euch diese Etappe zu begleiten. Das Wetter scheint ja auch endlich zu passen. Alles Gute weiterhin.
Liebe Grüße Jörg
Hallo, Ihr Beiden.
Das war wieder ein toller Bericht, so lebendig!
Durch eiskaltes Wasser bin ich auch mal durch einen Fluß über Steine gelaufen. Schrecklich, aber es musste sein.
Weiterhin viel Muskelkraft und Energie.
Liebe Grüße Heidi 🤓
Hallo Heidi, wir haben derzeit nur selten Kontakt zur digitalen Welt. Daher die verzögerte Reaktion.
Danke für die ‚Blumen‘, die ich in fotografischer Form im Blog an dich zurücksende.