Die Lanzotäler

Tag 20: Dienstag, 15. Juli 2025:

Schon vor der offiziellen Frühstückszeit (ab 8 Uhr) verlassen wir um 7 Uhr das Albergo Aquila Alpina, um genügend Zeit für diese Etappe zu haben. Noch ein letzter Blick auf den Lago Ceresole, …

… den ich nun schon seit 2019 zum dritten Mal besucht habe, zweimal gemeinsam mit Lady C.

Es geht flott aufwärts, ausnahmsweise durch ausnahmsweise intakten Fichtenwald.

Ein Marienkäfer ohne Punkte? Hat er sie verloren? Daheim wird geschaut, welchen Namen ihm die Menschen gegeben haben.

Und wieder ein beeindruckender letzter Blick kurz vor dem Colle della Piccola auf das Gebiet des Gran Paradiso.

Bis hierher, zum Colle della Piccola (2698 Hm), ging es richtig gut und einfach, inklusive unserer Pause.

Wir sind völlig unabsichtlich unterwegs auf einem Teilabschnitt des Sentiero Duca degli Abruzzi. Die Markierungen sind häufig gut auffindbar. Den Weg dazwischen dürfen wir uns selbst ausdenken.

Es geht über recht steiles Schrofen- und Wiesengelände vorbei an kleinen Wasserkaskaden …

… hin zu kräftigen Gebirgsbächen, die nur mit nassen Hosen und Schuhen gequert werden können.

Puhh! Geschafft.

Letztendlich erreichen wir das noch geschlossene Rifugio Daviso (2280 Hm), …

… dessen Winterraum wir nutzen können. Unsere Abendrituale starten mit Bett herrichten, dann Abendessen kochen, futtern und Zähneputzen.

Beim Auspacken fällt mir auf, dass ich meine ‚Techniktüte‘ (Powerbank, Netzstecker, Kabel, Ersatzakkus) in Ceresole Reale vergessen habe. Zumindest die Powerbank ist zwingend notwendig, um die Tour wie geplant fortzusetzen. Also ist wieder Umplanen angesagt. Wir entscheiden uns, morgen abzusteigen, um entweder die Techniktüte abzuholen oder Ersatz zu beschaffen.

So beruhigt können wir noch ganz in Hüttennähe diese beiden Steinböcke im Zweikampfüben beobachten. Im steilen Fels knallen ihre Hörner aufeinander.

Beeindruckt davon und erschöpft von der hohen Achtsamkeit, die uns der Weg abforderte, schlafen wir erfüllt von den Erlebnissen des Tages ein.

Tag 20: Ceresole Reale – Rifugio Daviso: 12,1 km – / 1478 Hm – \ 764 Hm


Tag 21: Mittwoch, 16. Juli 2025:

Ein Pech kommt selten allein. Beim Frühstück fällt mir der Topf mit fertig zubereitetem Müsli aus der Hand und der Haferbrei verteilt sich gleichmäßig über meinen Rucksack und den Fußboden. Nachdem wir die Schäden gemeinsam beseitigt haben, machen wir uns erstmal ohne Frühstück auf. Eine Katzenwäsche am Gebirgsbächlein reicht uns, um frisch zu werden.

Wir passieren mal wieder verlassene Almen, hier mal eine, die ohne Holzbalken konstruiert wurde. Hab‘ ich so bisher nur im Aostagebiet gesehen.

Kurz vor Forno Alpi Graie dürfen wir Kletterern bei ihrem Tun am Übungsfels zuschauen.

Im diesem Dorf des nördlichsten der Lanzotäler (heisst auch Val Grande) haben wir Glück. Schon nach einigen Minuten nehmen uns zwei Damen in ihrem Auto mit, die ein katholisches Heiligtum im Tal besuchen wollen. Sie setzen uns nach ca. 25 km mittags in Lanzo am Eingang zu den drei Lanzotälern ab.

Es ist heiß (36°). Wir finden einen Mobiltelefonladen und vertreiben uns die Zeit bis zu seiner Öffnung um 15:30 Uhr in einer Bar bei Salat (Frisches steht hoch im Kurs!) und LemonSoda.

Tutto bene! Ich kann Powerbank, Netzstecker und Kabel erwerben! Wir brauchen nicht über Turin nach Ceresole Reale und wieder zurück zu fahren, was mit dem ÖPNV bestimmt 1,5 Tage (198 km) gedauert hätte. Jetzt kann ich besser nachvollziehen, warum diese direkten Übergänge von Tal zu Tal in den noch automobilfreien Zeiten entstanden sind.

Kurz vor Abfahrt unseres Busses ins Val Grande sehe ich noch einen dieser für diese Gegend typischen Wasserspendeautomaten, der für jeden kostenlos gekühltes Trinkwasser bereitstellt.

Der italienische ÖPNV bringt uns zuverlässig zurück ins Lanzotal Val Grande. Wir steigen in Pialpetta aus, das wir schon im letzten Jahr besucht haben. Leider hat das Gasthaus, in dem wir uns sehr wohl gefühlt haben, geschlossen. Das schon ältere Gastwirtspaar hatte wohl keine Lust oder keinen Bedarf mehr gehabt, es weiter zu betreiben.

Zum Glück hat das Albergo Pialpetta, ausschließlich von jungen Männern betrieben, die Funktion des örtlichen Posto Tappa für Wandernde übernommen.

Tag 21: Rifugio Daviso – Forno Alpin Graie: 5,9 km – / 75 Hm – \ 1129 Hm


Tag 22: Donnerstag, 17. Juli 2025:

Heute sind wir auf einer strammen Etappe der GTA unterwegs, die ich bereits aus 2019 kenne. Lady C. kennt sie noch nicht.

Zunächst geht es wirklich steil und düster durch den Wald. Es heißt nicht umsonst „die steilen Lanzotäler“. Beim Aufstieg durch Grünerlen entdecke ich auf der anderen Seite des Tals einen ziemlich großen gelben Fleck, der auf intensive Almwirtschaft zurückzuführen ist. Zuviele Kühe auf zu kleiner Fläche sind für die Förderung der Artenvielfalt bestimmt nicht sinnvoll.

Lady C. verschwindet hier fast in der Landschaft. Wie winzig doch ein Menschlein ist …

Der Grünerlenbewuchs ist seit 2019 auch mehr geworden. Ein Freischneiden des Weges ist an manchen Stellen sinnvoll bis notwendig.

Aussicht pur! Doch nochmal in weiter Ferne ist rechts der Gran Paradiso zu sehen.

Es geht einfach über den Colle del Trione (2486 Hm). Schon vor der Etappe haben wir beschlossen, diese wegen ihrer Länge zu teilen und eine Nacht im Zelt zu verbringen.

Ganz der Statistik des DAV-Sicherheitskreises über ‚Unfälle kurz vor dem Ziel‘ entsprechend, stolpert Lady C. ca. 200m vor unserem angepeilten Zeltplatz und fällt buchstäblich auf die Nase. Das Ergebnis sind einige Blessuren im Gesicht und am Körper sowie eine temporäre mentale Erschöpfung. Eine kleine Erstversorgung stillt die kleinen Blutungen.

Wir bauen zügig das Zelt auf – auch weil hunderte von weiblichen Mücken eine Zwangsblutspende für ihre Eierproduktion einfordern. Während Lady C. das Innenzelt frei von Mücken hält, koche ich im Mückenschutzanzug (Regenkleidung) ein Süppchen und das Abendessen auf unserem zuverlässigen Gaskocher. Danach bin ich froh, dass ich auch in die mückenfreie Zone krabbeln kann. Ein Erholungsschlaf stellt sich schnell ein.

Tag 22: Pialpetta – Alpe Pian Lago Vasuero: 8,2 km – / 1538 Hm – \ 372 Hm


Tag 23: Freitag, 18. Juli 2025:

Morgenstund‘ hat manchmal Mücken im Mund …

So ein Zeltmorgen ist wirklich immer einzigartig klasse.

Wir packen rasch unseren Krempel zusammen und verschwinden von diesem Aderlass-Ort.

Die GTA ist auf diesem Abschnitt übrigens identisch mit der Via Alpina ‚blau‘ und dem Sentiero Italia, dem ‚längsten Weitwanderweg der Welt durch das schönste Land der Welt‘ (Werbespruch der VaSentiero-Leute).

Beim Rücksturz zur Erde passieren wir echte italienische Almen – ohne Folklore und Gastronomie.

Je tiefer wir kommen, desto mehr jage ich wieder Details, diesmal in Form eines Schmetterlings auf Blume.

Schachbrettfalter

Wir erreichen Balme am Talende des Val d’Ala, einem weiteren Lanzotal. Nahe der französischen Grenze gelegen, wird hier der franco-provenzialische Dialekt gepflegt. Und Bouldern und Klettern kann man hier auch gut.

Nur das italienische Skifahren hat es in den letzten Jahrzehnten etwas schwer. Der kleine Lift ist außer Betrieb …

… und die dazugehörigen Kabinen schmücken die Landschaft und dienen evtl. Wildtieren als Regenschutz.

Wir finden Unterschlupf im Gasthaus ‚Les Montagnards‘, …

das mit einem schönen Zimmer und einem hervorragenden Abendessen aufwartet.

Als Beispiel der Antipasti-Teller:

Vitello Tonnato – Auberginen-Flan mit Käsekräutersoße (werde ich versuchen, nachzubauen) – Schinkenspeck mit warmer Honigsoße und heißen Maronen – Frischkäse mit grünem Kräuterpesto – einfach köstlich!

Tag 23: Alpe Pian Lago Vasuero – Balme: 6,7 km – / 164 Hm – \ 972 Hm


Tag 24: Samstag, 19. Juli 2025:

Auch um Zeit fürs Wundenlecken und die Erholung von Lady C. zu gewinnen, bleiben wir noch einen weiteren Tag in Balme. Außerdem ist das Wetter in den nächsten Tagen instabil bis gewittrig, so dass wir unsere Pläne wiederum anpassen.

Wir kaufen mal wieder ein für die nächsten Tage …

… und tun – außer Kommunikation und BlogSchreiben – fast nichts.

Ab morgen geht es in kleinen Etappen weiter.

Tag 24: Pausentag in Balme

3 Kommentare

  1. Olli (OF)
    20. Juli 2025
    Antworten

    🌄👍👍

  2. Bea
    20. Juli 2025
    Antworten

    Oje ihr lieben!
    Das waren ja ereignisreiche Tage.
    Ich hoffe Cornelia ist wohlauf und die Blessuren hindern euch nicht daran, eure wunderschöne Tour fortzusetzen.

    Ich bin im Geist und im Herzen bei euch und freue mich, dass du uns durch den Block mitnimmst auf die Tour.

    Fühlt euch herzlich gedrückt. Liebe grüße Bea

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