Ich wollte nur den Rest des Grimm“steigs“ laufen….
In den Rucksack hatte ich alles für eineinhalb Tage Kost und Logis mit DraußenSein gepackt. Die Metereologen/innen sagten eine 10%ige Niederschlagswahrscheinlichkeit voraus sowie Temperaturen um den Gefrierpunkt. Kurz gesagt: fast beste Bedingungen.
Durch die Kasseler City ging es mit der Straßenbahn nach Oberkaufungen, einer vorgelagerten Gemeinde in Richtung Osten. Die Fahrt machte mir den Unterschied zwischen Ballungsgebiet und Randlage nochmal klarer: Wenn ich mit dem Auto hinaus fahre, bekomme ich die Menschen- und Umgebungsdichte nicht so mit, bin in der „Autokapsel“ isoliert und werde, vorbei an allem, mit wenig Kontakt hinaus gebracht. In der Bahn jedoch bekomme ich Menschen und Umgebung näher und vitaler mit. Meine Aufmerksamkeit brauche ich ja nicht dem Straßenverkehr zu widmen. Ich nehme intensiver wahr, was manchmal angenehm aber auch unangenehm sein kann, – auf jeden Fall intensiver.
Daher nahm ich auch den Beginn der Tour mehr wahr: Das langsame Abschwellen der Lautstärke, die größer werdenden Abstände zwischen Gebäuden, der Übergang von Asphalt zur „wassergebundenen Decke“ und forstwirtschaftlichen Nutzstraße.
Ab und zu schlich sich mal ein schmaler Pfad (=“Steig“) ein. Meist war er von der Nässe völlig aufgeweicht. Hinzu kam, dass sich die 10%ige Niederschlagswahrscheinlichkeit anscheinend auf einen größeren Zeitraum und nicht nur auf diesen Tag bezog. Denn es schauerte mit hoher Regelmäßigkeit zu fast jeder Stunde mindestens einmal.
Das Tageslicht hatte durch die Bewölkung einen grauen Schimmer, so dass ich den Eindruck hatte, es würde nicht so richtig heller Tag. So ist es im Dezember nun mal. Hinzu kam, dass bei diesem nasskalten, dunklen Wetter, keine anderen Menschen auf dem Weg zu sehen waren.
So dackelte ich dahin, meine Gedanken hinterher hängend. In weiser Voraussicht hatte ich meine Wanderschuhe gut eingeschmiert und mit ein paar Kurzgamaschen meine Hosen geschützt, so dass sie nicht binnen kürzester Zeit unten herum nass waren. Des öfteren bin ich knöcheltief im Matsch versunken und zog meinen Schuh mit einem schlürfend-schleimigen Geräusch wieder heraus. Hatte auch irgendwie etwas …
Trotz allem Positivismus kam etwas Melancholisches in mir auf, – kein Wunder bei diesem Wetter. Bei dem Versuch eine Pause zu machen, begann ich gleich zu frösteln, was mich wieder sofort in Gang setzte.
Oberkaufungen liegt auf etwa 210 hm. Ab ca. 350 hm begann sich der 10%ige Regen in 10%igen „Schnee“ zu verwandeln.
Bei dieser Tour halten sich die digital festgehaltenen Eindrücke in Grenzen. Die Wege waren eintönig, was durch die gesamte Wetterstimmung noch verstärkt wurde. Ich verspürte selten den Wunsch, etwas mit der Kamera festzuhalten (geht ja sowieso nicht).
Der Grimm“steig“ führt kurz vor Wickenrode durch einen Windpark. Einen solchen habe ich bisher nur aus der Ferne gesehen. Ich war etwas erschrocken, wie breit die befestigten Trassen (notwendigerweise) in diesem Gelände waren. Wenn der Wald vorher etwas Urwüchsiges oder Anmutiges hatte, – durch den Bau des Windparks hat er den größten Teil davon eingebüßt. Das ist das Opfer für den derzeitigen Energiehunger der Menschen (inklusive mir).
Kurz vor der Anhöhe (510 hm) waren Wege und Bäume in winterliches Weiß gepackt. Der Wind nahm zu (gut für einen Windpark) und ich kühlte selbst beim Laufen ein wenig aus. Handschuhe und Anorak, die ich jetzt anzog, verhinderten weiteres Auskühlen. Auch führte der Weg mal ausnahmsweise wieder über einen schmalen Pfad aufwärts.
Zusätzlich zum eigentlichen Geräusch des Windes, der sich in den Bäumen verfing, kam noch ein regelmäßiger Takt hinzu. Nicht völlig überraschend für einen Windpark tauchte aus dem Nebel die Säule eines Windrades auf. An deren Spitze konnte ich die dazugehörigen Rotorblätter erstmal nur erahnen. Je näher ich kam umso mehr zeichneten sich alle Umrisse ab. Der Nebel bzw. die Wolke blieb jedoch so, dass ich weiterhin nur Schemen der „Windkraftanlage“ erkennen konnte.
Wenn ich so direkt davor stehe, hat so ein Windrad schon was „Gewaltiges“. Auch die Geräuschkulisse ist erheblich, so dass ich AnwohnerInnen verstehen kann, die nur in gehörigem Abstand zu diesem Riesen wohnen möchten.
Die tief hängenden Wolken verdeckten einen Teil des Riesen, so dass es noch etwas gespenstischer wirkte.
Jetzt war eigentlich die Zeit dafür gekommen, einen schönen Lagerplatz zu suchen. Die äußeren Bedingungen dafür waren schon mal besser: Es schneeregnete. Der Boden war durch und durch nass bis matschig. Es war feuchtkalt, – die WetterwahrsagerInnen behielten in Sachen Temperatur Recht. Meine Stimmung war etwas gedrückt.
An einer Weggabelung konnte ich mich zwischen Weitergehen auf dem MuddyGrimm“steig“ inkl. Übernachten draußen und einem Talweg zur nächsten Straßenbahnstation in Helsa entscheiden. Nach kurzer intuitiver Überlegung entschied ich mich für die Komfort-Variante und lief noch eine Stunde im Dämmerlicht nach Helsa. Auf der ganzen Strecke regnete es. Die Bahn fuhr mich nach Hause, wo ich es mir gemütlich machte. Das Wetter am folgenden Morgen war nicht besser, so dass ich froh war, dass ich meiner intuitionsgestützten Entscheidung gefolgt bin.
Der Grimm“steig“ sieht mich nochmal wieder…
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