Harzer Hexenstieg

Noch nie war ich zum Wandern im Harz, obwohl er von Kassel aus fast „vor der Haustür“ liegt. 

Als Intro wählte ich den „Harzer Hexenstieg„, eine ca. 100 km lange West-Ost-Durchquerung, die als „Qualitätsweg Wanderbares Deutschland“ ausgezeichnet ist und einer der „Top Trails of Germany“ sein soll. Da war ich aber neugierig.

Mit der Bahn in Osterorde angekommen, ging es zunächst lange Zeit auf Straße und forstwirtschaftlichen Nutzwegen hinauf durch den Wald in den Harz. Bei den vorherrschenden Temperaturen und der Art der Wege war das zwangsmeditativ und wenig abwechslungsreich.

Top Trail of Germany !?

Ab dem Oberharzer Wasserregal verbesserte sich die Wegeführung. Es ging zunächst an idyllisch gelegenen Seen entlang. 

Oberer Nassenwieser Teich

Infotafeln unterrichteten über dieses vorindustrielle Wasserwirtschaftssystem. Ich fand es höchst interessant und hatte Respekt vor der Leistung der damaligen HarzbewohnerInnen, – obwohl dabei der Baumbestand in diesen Jahrhunderten fast komplett abgeholzt wurde. 

Kilometer um Kilometer ging es eben und schattig im Wald an den vor langer Zeit erbauten Wasserkanälen entlang. Über 60 km dieser Wasserwege werden bis heute durch die Harzer Wasserwerke gepflegt und als Kulturdenkmal erhalten. Ob man die an den Kanälen entlangführenden Wege als „naturnah“ bezeichnen kann? Ich würde diese Wege eher als  mit Schotter „befestigte Wege“ bezeichnen. 

Nach einem halben Wandertag erreichte ich die Schutzhütte an der Eisenquelle, die ich als Nachtlager nutzte. Still war der Wald um mich herum und ich genoss die aufkommende kühle Nacht.

Beim morgendlichen Zähneputzen an der Quelle bekam ich die Ursache für den Namen „Eisenquelle“ zu schmecken. Einen Kaffee möchte ich mir damit nicht kochen. HeavyMetalCoffee.

Weiter ging es wieder an den erfrischenden und im Waldschatten fließenden Wasserkanälen entlang.

Die angekündigte Umgehung des Magdeburger Weges vor Torfhaus bestand zunächst wieder aus Schotterpiste und ging dann über in einen schmalen, naturnahen Pfad, der jedoch ca. 10 Meter neben der gut befahrenen Straße entlang führte. 

Beeindruckt hat mich kurz vor Torfhaus der Freischnitt eines Wegabschnittes, in dem die Stürmin „Friderike“ ihre Spuren hinterlassen hat. Natürliche Baumbestandsbereinigung.

In Torfhaus erwartete mich Mittagshitze, ein informatives Nationalparkhaus und, – ich glaubte es zunächst nicht -, eine Filiale des OutdoorAusrüstungs-Händlers „Globetrotter“.

In einer „Alm“ (im Harz leicht deplatziert) wurden mir elsässischer Flammkuchen und Bier von rotweiß-kariert-blusigen Almdamen serviert. Bei Aprè-Ski-Musik ließen es sich auch Gruppen von Motorradfahrer/innen auf dieser „Alm“ gutgehen. Eine etwas bunt-skurrile Atmosphärenmischung. Wer’s mag…

Auch im Nationalpark Harz lässt man Borkenkäfer und andere Lebewesen frei walten, entsprechend dem Leitsatz „Natur Natur sein lassen“. So sehen manche Baumbestände ziemlich tot aus, was sie bei nähere Betrachtung jedoch überhaupt nicht sind.

Dagegen sind die auch noch vorhandenen menschengepflegt aufgeräumten Baumplantagen wahre Totholz-Ansammlungen.

Neben Schotterwegen führt auch ein Stück ehemaliger DDR/BRD-Patrouillenweg hinauf zum Brocken. Historisch gesehen ist diese Wegart interessant und ein paar Infotafeln tun ihr übriges Geschichtsträchtiges dazu.

Der letzte Kilometer hinauf zum Brocken führt über eine Asphaltstraße. So wächst vor lauter Frust die Vorfreude auf eine alkoholfreie Hopfenkaltschale noch mehr. Oben dann spüre ich dann eine Atmosphäre, die zwischen Touristenrummel, Reste von Ex-DDR-Gastronomie-Verhalten und Mondlandschaft angesiedelt ist. 

Gipfelplateau des Brocken

Und dabei hatte ich noch Glück mit dem Wetter, denn im Jahresdurchschnitt liegt der Brocken an 300 Tagen im Nebel und die Durchschnittstemperatur beträgt 4 Grad Celsius. Ich verbrachte ganze zwei Stunden auf dem und rund um das Plateau, genoss die Aussicht und das Gespräch mit einem Triathleten, der den Brocken häufig als Ziel für sein Radtraining nutzt.

Teufelskanzel und Hexenaltar.
Der Sage nach treffen sich hier zur Walpurgisnacht die Hexen und Teufel.

Abwärts ging es lange Zeit wieder auf Straßen und Schotterpisten durch den Nationalpark.

Während ich da so lief, überlegte ich darüber, wie der Harzer Hexenstieg wohl zu den Bezeichnungen „Qualitätsweg Wanderbares Deutschland“ und zur Einstufung „Top Trails of Germany“ gekommen ist? Welche Kriterien müssen dabei erfüllt werden ? Wer prüft das ? Und wie ? All das interessiert mich allmählich mehr und mehr …

Baumstumpf mit neuem Heidelbeerleben

östliches Brockenkind

Etwas abseits des Hauptweges fand ich dann doch noch ein idyllisches „Brockenkind“ (original kartografische Bezeichnung) auf ca. 930 hm . An dessen Fuß richtete ich mein Nachtlager ein. 

Um 4 Uhr am Morgen weckten mich Amselgesang und eine Morgentemperatur von 6 Grad Celsius. Etwas kühl war mir in meinem dünnen Sommerschlafsack, so dass ich meine Wanderklamotten und eine Mütze anzog, um dann noch ein paar Stündchen weiter zu schlafen.

Morgentoilette und Frühstück absolvierte ich im Hohne-Hof, den der Nationalpark als lehrreiche Bildungstelle für Gruppen ausgebaut hat, inklusive einer kleinen sehr wohnlichen Gaststube. Ich habe mich dort sehr wohlgefühlt.

Weiter ging es auf Forstwegen und Straßen nach Königshütte, wo sich die „Überleitungssperre Königshütte“, einem schön gelegenen See mit eintönigem Wanderweg, anschließt.

Ein Schmetterling hielt seine Flügel ins Sonnenlicht.

Kleiner Eisvogel auf Schotter

Wegen Sturmschäden wurde der Wanderweg über Rübeland umgeleitet. Hier werden in einem schönen Tal Höhlen touristisch bewirtschaftet. Ab Kreuztal konnte ich entlang der Bode einen wirklich angenehmen Weg im Abendlicht gehen bis ich kurz hinter Neuwerk an der Schutzhütte „Diabas“ mein Nachtlager aufschlug. Passend zum meiner Wegekritik ist „Diabas“ eine bestimmte Gesteinsart, die gut für die Herstellung von Schotter genutzt werden kann. 😉

 „Schutzhütte Klaus“ an Schutzhütte Diabas
– auch hier hatte es wieder eine Nachttemperatur von nur 6 Grad ! –

Badezimmer und Spülküche an der Bode
– logo: habe keine Seife und kein Spülmittel benutzt –

Gefrühstückt habe ich am folgenden Morgen an der Talsperre Wendefurth mit einer Bulli-Camperin, die eine Wochenendwanderung im Bodetal gemacht hatte und nun wieder auf der Heimreise nach Bad Sooden-Allendorf war. 

an der Talsperre Wendefurth

Der Weg entlang der Bode über Altenbrak nach Treseburg ist angenehm schattig und häufig echt prima zu laufen, – wenn da nicht immer mal diese Wegabschnitte … aber ich wiederhole mich, – eben so wie sich diese Wegeart wiederholt.

 Im Bodetal I

Im Bodetal II

Ab hier, Treseburg, begann nun der Kern des „Bodetals“, eine wirklich imposante Teilstrecke dieses sonst eher mäßigen Harzer Hexenstiegs. 

Naturnahe Wege, mal hoch oben, mal direkt am Fluss, führten durch schattige Wälder. Felsen und Kiesstrände luden zum Picknick und Fußbad ein.

 Tagpfauenauge auf BodeStrandKies

Es war Wochenende und einige andere Wanderer/innen waren auch unterwegs, kamen mir aber meist entgegen, da sie in Thale, meinem Zielort, gestartet sind. 

Kurz vor Ende der Schlucht wurde es richtig gigantisch für mitteldeutsche Verhältnisse. Hohe Felswände umrahmen hier die Bode, die ab Thale in einer Ebene Richtung Quedlinburg weiterfließt.

 Blick von oben in die Bodeschlucht, im Hintergrund die Rosstrappe

Der Besucherstrom wird ab der Teufelsbrücke erheblich dichter, bis letztendlich am Talausgang der Kommerz in Form eines Biergartens auf Beute wartet. Das alkoholfreie Weizen war köstlich.

Idyllischer Biergarten am Eingang der Bodeschlucht

Nun ging es auf noch ganz netten Spazierwegen bis nach Thale, wo ich mich durch einen Sonntagsflohmarkt in Richtung Bahnhof durchschlug, um dann auf Bahn-Umwegen (Magdeburg – Braunschweig – Göttingen – Kassel) nach Hause zu fahren. Drei erfüllte Wandertage mit wirklich erstaunlichen und interessanten Eindrücken lagen hinter mir. 

Das Thema „Qualitätsweg“ und „Top Trail of Germany“ rumort immer noch in mir und will wohl intensiver beleuchtet werden.

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