Como-KS: Stalldrang

Tag 10 bis Tag 13:

Gut, dass ich mich für die Faulheit entschieden habe, mein Zelt nicht mehr aufgebaut und die Nacht unter dem Vordach im Trockenen verbracht habe. 

Denn bis zum nächsten Morgen regnete es echt heftig und ausdauernd. Ich hätte mein Zelt klatschnass einpacken müssen und die anderen Sachen wären zumindest klamm gewesen, was auch kein gutes Gefühl ist, besonders bei Kleidung.

Prasselregen auf Tischtennisplatte

Je näher ich nach Kassel kam, umso größer wurden die Tagesdistanzen, die ich absolviert habe.  Irgendetwas zog mich nach Hause. Ich habe zwar keine Termine und keinen Arbeitsbeginn, der mich drängt, doch irgendwie freute ich mich auf mein kleines Zuhause, auf Freunde und Partnerin. Bei Pferden nennt man das „Stalldrang“, wenn sie auf dem Heimweg schneller werden.

Der Übergang zwischen Tauber und Main war ein Radweg (=“Gaulandradweg“) auf einer ehemaligen Zugstrecke und erwies sich wegen der geringen und gleichmäßigen Steigung entsprechend komfortabel auf- und abwärts zu fahren.

Gaulandradweg durch Wiesenlandschaft

Ab Würzburg befuhr ich die gleiche Strecke wie auf der Hinfahrt nach Como. Es ging über Zellingen, Karlstadt nach Gemünden, einem Radler-Knotenpunkt. Hier münden Sinn und Saale in den Main und auch die dazugehörigen Radstrecken treffen auf den Main-Radweg.

Weinhänge am Main bei Zellingen

Für das Sinntal bis hinauf in die Rhön war nochmal Anstrengung notwendig. Hinzu kam heftiger Gegenwind, der sogar beim Bergabfahren nach Fulda das Kurbeln nötig machte. Außerdem kündigten kleine Schauer und dunkle Wolken einen größeren Regenguss an.

Genau als es dicke Regentropfen in größeren Mengen vom Himmel herunterprasselte, kam ich in Fulda an einem Tennisclub mit Gastronomie vorbei. Zumindest unterstellen konnte ich mich hier. Aber auf Nachfragen war dann klar, dass die Gaststätte auch für Nichtmitglieder zugänglich ist, was mich in diesem Moment sehr freute. Eine nette junge Dame wies mir einen Platz an einem großen Tisch draußen unter einem Vordach an. Eine Hopfenkaltschale gemischt mit Zitronensprudel rundete meine Zufriedenheit ab.

Trocken im Tennisclub

Parallel zu mir nahmen Tennisspieler, denen der Regen auf dem Platz zuviel wurde, ebenfalls am Tisch Platz, bis mir klar wurde, dass dies wohl der „Stammtisch“ einer Gruppe von Vereinsmitgliedern war. Ich wurde willkommen geheißen und konnte den Abend im Rahmen einer TennisMännergruppe bei Fuldaer Stadtgesprächen und Grillbüffet ausklingen lassen. Hier saßen einige Honoratioren von Fulda beisammen, fragten freundlich wo ich herkomme, wo ich übernachten werde und ob ich auch über ein gewisses Internet-Portal meine Nächtigungen buche. 

Ich drückte mich etwas um die Antwort herum („nein – weiß noch nicht – finde bestimmt noch was -ist ja keine Hauptsaison, …“), denn den Männern zu erklären, dass ich nach dem illustren Abend in honorigem Kreis mein Zelt an einem der ganz in der Nähe des Tennisclubs liegenden Aueseen aufbauen werde, – so vertraulich wollte ich dann doch nicht werden. 

Lagerplatz am Auesee

Die Zeltnacht brachte wieder Regen in großen Mengen und erste Sonnenstrahlen ab 7 Uhr morgens. Auch war es gut, dass ich alles bis 8 Uhr abgebaut hatte, denn dann kamen eine Menge Hunde, die ihre Herrchen und Frauchen ausführten, und dabei knapp an ‚meinem‘ Zeltplatz vorbei liefen.

Mein heutiges Ziel lag irgendwo zwischen Fulda und Kassel. Bis dorthin waren es noch ca. 140 km. Zu weit für einen Tag. Also musste ich das ziemlich feuchte Zelt doch wohl noch einmal irgendwo auf dieser Strecke aufbauen oder eine Herberge suchen.

Ich war noch etwas in meinem MorgenSlow versunken, sinnierte über Vor- und Nachteile der Übernachtungsmöglichkeiten, da fuhr ein Radler, – das Rad vorn und hinten mit Packtaschen beladen -, zügig an mir vorbei. Es kam nicht oft vor, dass Fernradler in gleicher Richtung unterwegs waren. So näherte ich mich ihm und sprach ihn beim Fahren an, woher er komme und wohin er wolle. Er sei jetzt 39 Tage unterwegs, davon den Großteil in Kroatien. Jetzt radle er nach Bremen, nachdem er bis Frankfurt mit der Bahn gefahren sei. Ca. 6 Jahre älter als ich hatte er ein recht flottes Tempo drauf und wir blieben zusammen.

So ergab die Unterhaltung und die Fahrt eine gemeinsame Tagesradtour, die wir beide genossen. Ich konnte ihm einen guten Campingplatz an der Fuldaschleife empfehlen. Er war froh, dass er an diesem Tag weiter gekommen war als er gedacht hatte.

 Selfie auf Fahrrad

Und ich hatte ab der Fuldaschleife nur noch 27 km zu fahren. Es war erst 18:30 Uhr. Nach einem gemeinsamen alkoholfreien Weizen am Campingplatz startete ich meine letzte Etappe und war zufrieden mit 140 Tageskilometern in den Beinen zu Hause angekommen. 

Die letzten Meter nach Hause waren schon etwas unwirklich. Als ich das Haus sah und in meine Wohnung kam, brauchte ich eine gewisse Zeit, um meine Rückkehr zu realisieren. Alles erschien mir größer als vorher. Nichts war selbstverständlich. Ich nahm den Komfort mehr als solchen wahr und nicht als Selbstverständlichkeit. Gute Freunde, eine Dusche, Schokolade und zwei Glas Rotwein waren mir eine gute Unterstützung, mich wieder einzugewöhnen.

Hier nochmal eine Gesamtübersicht meiner Rückradreise:

Como-Kassel: Teil 3 

Como-Kassel: Teil 2

Como-Kassel: Teil 1

Neu für mich wird auch sein, dass ich nach einem langen Urlaub nicht mehr „an die Arbeit“ gehe, sondern die folgenden Tage genauso wie die Urlaubstage fast völlig frei selbst gestalten kann. Welch eine wunderbare Chance, wenn ich sie nutze.

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