Im Piemont auf der GTA

Tag 29 – Freitag, 21. Juli:

Die Nacht auf Piansecco bringt klaren Sternenhimmel und gleichzeitiges Wetterleuchten aus der Ferne. Mit Zeltabbau, Packen und Frühstücken brauchen wir ca. zwei Stunden bevor wir weiterziehen. Um 8 Uhr sind wir startbereit.

Zunächst laufen wir auf einem schönen Höhenweg …

… dann steigen wir ab nach All’Acqua im hinteren Val Bedretto im Tessin.

Strommasten durchziehen diesen Talabschnitt in hoher Dichte.

Ganz in der Nähe gibt es ein komplexes System von untereinander verbundenen Stauseen, die die Stromversorgung im Tessin unterstützen. Und solange wir Menschen einen solchen Strombedarf für notwendig erachten …

Durch aktive Alpwirtschaft geht es hinauf auf den ca. 2300 Hm hohen Passo San Giacomo. Wir sind wieder in Italien. Der Pass diente schon im 15. Jahrhundert Säumern und Pilgern, die aus dem Val Formazza aufstiegen, um zum Gotthardpass zu kommen, der damals eine Pilgerstätte war.

An der Pilgerkapelle St. Nicolao am Passo San Giacomo rasten wir zu Mittag …

… und genießen zum letzten Mal einen Rückblick ins wunderschönsteile Tessin.

Wir sind im Piemont angekommen und erreichen am Nachmittag das Rifugio Maria Luisa.

Auch hier ist die Landschaft von Staudamm, Wasser- und Stromleitungen geprägt.

… und gleichzeitig übertrifft die unscheinbare Hütte unsere Erwartungen. Etwas alt, schraddelig und dunkel kommt die Einrichtung daher. Wirkönnen unsere Wäsche mit warmem Wasser waschen und sie auf der Terrasse in der Sonne trocknen. Irgendwie haben wir sofort das Gefühl, dazu zu gehören, ohne dass etwas besonders Einladendes oder Herzliches passiert. Es ist alles irgendwie selbstverständlich.

Und dann das Essen und Trinken !!

Es kommt echt heiß auf den Tisch, sogar das Teewasser. Eine Minestrone, die ihren Namen verdient als Primo. Secondo: KartoffelErbsenPürree mit in Rotwein gedünstetem Rindsgulasch. Pannacotta mit Schokocreme schließt das ’schlichte‘ Hüttenessen ab. Alles ein wahrer Genuss.
Die Weine sind letztendlich die Krönung: wir können zwischen Nebbiolo und Arneis wählen, was uns bei diesen edlen Rebsorten eher schwerfällt.

Und dann sind da noch die Preise, die sich gravierend von den schweizerischen unterscheiden.

Kurz und gut: wir freuen uns riesig darauf, ein paar Tage durch die piemontesischen Berge zu strawanzen.

Tag 29 – Piansecco – Rifugio Maria Luisa – 15,1 km – /970 Hm – \788 Hm


Tag 30 – Samstag, 22. Juli:

Unsere Rucksackverpflegung ist aufgegessen. So gern wir einen alpinen Steig zum Rifugio Margaroli genommen hätten, – logistisch ist es nicht sinnvoll.

Der nächste Alimentari ist im Val Formazza ca. 10 km und 1000 Hm abwärts entfernt.

Wir steigen 400 Hm und 3 km ab nach Riale. Dort soll ein Bus um 10:25 Uhr fahren, der dann in Realität nicht fährt. Der erste Versuch auf altmodische Art zu trampen ist gleich erfolgreich. Zwei Frauen aus dem Val Formazza nehmen uns mit. Während der Fahrt bekommen wir heimatkundliche Kenntnisse vermittelt: Walsersiedlungen, alter deutscher Dialekt, Wortbeispiele wie ‚Zuam Schtäg‘ (=Zur Brücke) oder ‚Schtuba‘ (=Gasthaus) werden uns redselig auf walseritalienisch erläutert.

Ein typisches Walserhus

Im kleinen Alimentari gibt es alles was fran so braucht, sogar Haar- und Kaugummis. Für die nächsten Tage ausgestattet steigen wir auf dem normalen Hüttenzustieg zum Rifugio Margaroli hinauf.

Ein Schmetterling stellt sich meinem Fotoapparat. Wer kennt ihn und schreibt mir seinen MenschenNamen?

Roter Apollo
(Dank an Jörg und Frauke)

Auf dem Weg passieren wir einen kleinen Zerstäuberwasserfall.

Das Rifugio Margaroli ist uns bereits aus 2019 von unserer GTA-Wanderung bekannt. Insbesondere die in starkem Alkohol eingelegten Zuckerwürfel sind in Erinnerung geblieben, die bei Einnahme fast ein Loch in der Zunge hinterlassen haben … diesmal sind sie nicht mehr im Angebot.

Mit drei schwäbischen GTA-Wanderinnen verbringen wir einen interessanten Abend. Wir werden uns noch ein paar Tage begleiten.

Tag 30a – Rif. Marie Luisa – Riale – 2,8 km – /41 Hm – \470 Hm
Tag 30b – Formazza – Rif. Margaroli – 7,0 km – /1012 Hm – \105Hm


Tag 31 – Sonntag, 23. Juli:

Nach einem schlechten Kaffee und normalen Frühstück verabschieden wir uns vom Rifugio Margaroli.

Vor vier Jahren lag auf der Strecke noch eine ganze Menge Schnee, so dass wir heute ohne diesen eine ganz andere Landschaft wahrnehmen.

Der Lago Vanninno liegt im träumerischen Morgenlicht.

Dieser unkonventionelle Bachübergang ist uns auch noch in Erinnerung.

An der Scatta Minoia (2604 Hm) erkennen wir das eindeutig markierte Biwak.

Diese Landschaft war damals komplett weiß und wir konnten einfach gerade heruntergehen. Jetzt führt ein Weg in Serpentinen durch ein Geröllwirrwarr hinab …

… und so sah es Anfang Juli 2019 hier aus. Wir sind in diesem Jahr lediglich dreieinhalb Wochen später dran.

Wollgras mit Beatle-Frisur

Die Alpe verschwindet fast Ton in Ton in der Landschaft.

Am Ende nehmen wir mal eine Variante, die uns direkt zum Lago Devero hinunter und an ihm entlang führt. Es ist Sonntag und wir erleben italienische Wochenendfreizeitgestaltung: am See oder auf der Wiese liegen und sich sonnen. Schatten ist verpönt.

Ohne etwas reserviert zu haben erreichen wir die Alpe Devero, eine wunderbare Hochebene, durch einige Restaurants und Herbergen erschlossen und autofrei!

Das Albergo Alpino hat noch ein Zimmer für uns, worüber wir uns sehr freuen. Denn bald soll der große Regen einsetzen … das sitzen wir im Trockenen aus.

Tag 31 – Rif. Margaroli – Alpe Devero – 14,9 km – /612Hm – \1169 Hm


Tag 32 – Montag, 24. Juli:

Die Wettervorhersage hat sich bewahrheitet: mit Unterbrechungen regnet es wie aus Kübeln. Wir machen das Beste daraus: einen Ruhetag.

Spätes (8 Uhr) Frühstück. Körperpflege. Kartenspielen, nachdem wir aus dem vorhandenen Sammelsurium von Karten ein vollständiges Spiel zusammengestellt haben. Schwätse mid de andre GTAler.

Mittags gehören wir schon halb zur Gastgeberfamilie dazu. Die macht sich eine einfache und gleichzeitig sehr schmackhafte Pasta mit Öl, Knoblauch, Peperoni und Apfelkapern. Ich bekomme auch eine Portion.

Buon Appetito

Das Hochlicht des Tages: Von zwei GTA-Wanderinnen aus 2019 bekomme ich eine Nachricht, dass sie auf dem Weg zur Alpe Devero sind. Welch ein Zufall!

Am frühen Mittag treffen sie ein und wir schwelgen in Erinnerungen und verknüpfen mit neuen GTA-Wandernden. So entsteht langsam eine neue temporäre Wanderfamilie, die sich für ein paar Tage durch die Berge begleitet.

So geht der Tag schneller vorbei als gedacht. Ich bin durch NichtBewegung fast genauso müde wie nach einem vollen Wandertag.

Tag 32 – 32 m – /6 Hm – \6 Hm – (Hin und zurück zum Zimmer in der 1. Etage)


Tag 33 – Dienstag, 25. Juli:

Mit einem Paradiesfoto verabschieden wir uns von der Alpe Devero.

Vielleicht kommen wir im Winter mal zum Schneeschuhgehen hierher zurück.

Diese Hochebene haben wir vor vier Jahren nur im Schnee erlebt.

Auch ohne Schnee oder gerade deswegen ist die Landschaft einfach großartig.

Wir steuern die Scatta d’Orogna (2470 Hm) an, auf der wir kurz rasten.

Dabei pfeift uns ein starker Wind um die Ohren. Ein zweiter Pass, der Passo Valtendra (2440 Hm) wartet heute noch auf uns.

Hier wird der Wind noch stärker und kühlt uns trotz eigentlich sommerlicher Temperaturen aus.

Durch die Mondlandschaft eines ausgetrockneten Sees …

… geht es in Richtung Monte Leone (3552 Hm) weiter, der uns seinen letzten Gletscherrest zeigt.

Genau vor dem nächsten Regen erreichen wir das Rifugio Arona auf der Hochebene der Alpe Veglia. Glück gehabt. Eine kuschelige Dachkammer wird uns als Nachtlager zugewiesen.

Mit einer Mischung aus neuer und alter GTA-Familie verbringen wir einen abwechslungsreichen, geschichtenreichen Abend.

Tag 33 – Alpe Devero – Alpe Veglia – 12,9 km – /1086 Hm – \963 Hm


Tag 34 – Mittwoch, 26. Juli:

Vom Rifugio Arona verabschieden wir uns um halb neun. Der starke Wind von gestern wird uns heute den ganzen Tag noch etwas kräftiger begleiten.

Die heutige Etappe ist ziemlich lange. Wir überlegen, die Etappe durch eine Zeltnacht zu kürzen und den Rest in den nächsten Tag zu verlegen.

Hier, auf einem altehrwürdigen Hausdach, haben Hütehunde einen guten Platz für den Überblick über ‚ihre‘ Ziegenherde gefunden.

Die noch aktive Alpe Le Balmette liegt total idyllisch, umgeben von ihren Kuh- und Ziegenweiden.

Nach dem Passo dei Gialit (2200 Hm) dürfen wird die ersten Walliser Gipfel bestaunen.

Leider verstecken sie ihre Köpfe in Wolken.

Die Alpe Corwetsch (ca. 2000 Hm) ist seit 2002 unter der Obhut eines Vereins, der versucht, ein bisschen alte bäuerliche Alpwirtschaft zu erhalten, indem sie die traditionell anfallenden Arbeiten auf alte Art und Weise ausführen. Dabei entsteht anscheinend auch Kreatives.

Wir sind übrigens wieder in der Schweiz. Es steht noch der mächtige Abstieg in die Gondoschlucht an. Durch sie führt ein Teil der Simplonpassstraße, die Brig mit Domodossola verbindet.

Hier geht es wirklich steil herunter. Die Alpi, die wir uns für einen möglichen Zeltplatz ausgesucht haben, bieten alle keine halbwegs ebene Stellfläche. Etwas ernüchtert buchen wir uns kurzfristig in Gondo (855 Hm) im Stockalperturm ein und erreichen diesen um 19 Uhr.

historischer Stockalperturm

Vor lauter Konzentration im Steilabstieg haben wir nicht gemerkt, wieviel Höhenmeter wir heute bewältigt haben.

Tag 34 – Alpe Veglia – Gondo – 17,5 km – /1254 Hm – \2166 Hm


Tag 35 – Donnerstag, 27. Juli:

Auch bei Sonnenlicht ist der Stockalperturm aus dem 17. Jahrhundert beeindruckend, …

… doch gegenüber den Dimensionen der Natur nur nichtig und klein.

Wo ist der Stockalperturm?

Wir lassen es heute locker angehen, frühstücken lange und starten erst um halb elf hinauf ins schöne Zwischbergental.

Es geht an potentiellen Badegumpen vorbei (zu kalt).

Mal wieder steht ein Falter mir Modell. Danke.

Kaisermantel
(Dank an Frauke)

Schon am frühen Nachmittag erreichen wir den Berggasthof Bord. Eine feine Adresse.

Wir haben eine Übernachtung im Zelt gebucht und dachten ‚im eigenen Zelt‘. Doch weit gefehlt! Das Zelt inkl. Einrichtung wird bereitgestellt. Welch ein Komfort!

Gute Nacht!

Tag 35 – Gondo – Zwischbergen – 6,5 km – /719 Hm – \218 Hm

8 Kommentare

  1. Katharina
    28. Juli 2023
    Antworten

    Ach wie schön!!! Ein Foto beeindruckender als das andere.
    Ich beneide euch!
    Immerhin habe ich auch einen Urlaub gebucht: ab 21.8., Chiemsee, 2 Wo., Fahrradtouren und wandern, bin gespannt.
    Weiterhin eine gute Zeit, LG Katharina

    • 31. Juli 2023
      Antworten

      Da freue ich mich doch mit dir, dass du die Umgebung des Chiemsees entdeckst. Cornelia und ich haben auf unserer Deutschlandtour in der Nähe der Kampenwand am ‚Grassauer Haus‘ im Zelt genächtigt. Wunderbare Aussicht auf den Chiemsee und gleichzeitig auf die Österreichischen Berge. Ist mir heute noch in Erinnerung. Viel Freude und Erholung wünsche ich Dir.

  2. 28. Juli 2023
    Antworten

    Hallo Klaus, da hast du einen wunderschönen Apollo Falter vor die Linse bekommen. Der gilt inzwischen als stark bedroht.
    Bei der aktuellen Etappe kommen nicht nur bei euch Erinnerungen auf 😀. Schön, dass das GTA Projekt lebendig bleibt.
    Grüße Jörg

  3. Maren Schiek
    28. Juli 2023
    Antworten

    Hallo Klaus,
    schade, dass wir uns in Gondo nicht mehr getroffen haben. Das Bellevue ist absolut zu empfehlen, supernette Gastgeber und local!!
    Euch eine gute Weiterreise 🙋
    Maren und Nicole

    • 31. Juli 2023
      Antworten

      Ja, finde ich auch schade. Ich war am Abend und am nächsten Morgen nochmal drüben und habe in den Gastraum geschaut. Leider ward ihr nicht da. Wir sehen uns bestimmt nochmal, nur wann? Vielleicht mal zu Hause?

  4. Birgit
    31. Juli 2023
    Antworten

    Hallo Klaus,
    Seid ihr trocken und sicher?
    Seid ihr weit genug entfernt von den Unwettern?
    LG Birgit

    • 31. Juli 2023
      Antworten

      Keine Unwetter und nur wenig Regen. Dafür morgens 5 Grad auf 2850 Hm am Passo Antigini. Tutto bene. Danke der Nachfrage. LG Klaus

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