Vom Lario ins Ticino

Tag 13 – Mittwoch, 5. Juli:

Das Albergo Lario in Gera Lario war wirklich gut. Und dennoch verabschieden wir uns gern, um dem schwülwarmen Klima unten am Comer See zu entkommen.

Nespolenbaum am Wegesrand

Wir bewegen uns auf alten Saumpfaden (Mulattiere), die vor dem Bau der Fahrstraße die einzige Verbindung zwischen Comer See und den hochgelegen Siedlungen war. Schweißtreibend geht es steil bergauf. Eine kleine Heerschar von Mücken freut sich über unser Blut.

Unter anderem motivieren Aussichten wie diese für den Aufstieg.

Die Via dei Monti Lariani (VML) ist eine mehrtägige Wanderung auf mittlerer Höhe durch die Nordwesthänge über dem Comer See. Diesem Weg folgen wir für zwei Tage. Lario nennen die Einheimischen den Comer See und auch diese Gegend hier.

Mit Lady A. bin ich im Mai 2018 bereits einige Etappen der VML von Cernobbio bis Menaggio gelaufen. Leider hat uns damals der Dauerregen von der Fortführung abgehalten.

In den teilweise noch bewohnten kleinen Siedlungen, die wir durchstreifen, werden Gemüsegärten mit Hochsicherheitstrakten vor Raubtieren wie Hase, Reh und Vogel geschützt.

Endlos erscheinende Esskastanienwälder bilden natürlichen  Sonnenschutz und eine halbwegs kühle Wandertempereratur.

Es geht durch malerische Freiflächen, die nur durch Rodung und landwirtschaftliche Nutzung erhalten bleiben.

Ansonsten werden sie durch Pionierpflanzen, wie Ginster, Birke oder Farn wieder renaturiert.

Relikt einer Materialseilbahn erster Generation.

Wir treffen andauernd auf verlassene Häuser und Siedlungen, die nur fußläufig nach mehrstündigem Anstieg erreichbar sind. Viele Menschen haben hier damals von Kleintierhaltung und Kastanienhainbewirtschaftung gelebt.

An eben so einer alten Siedlung, Barro, finden wir einen wunderbaren und vor allem ebenen! Platz für unser Nachtlager.

Wie bei fast allem gibt es auch hier eine andere Perspektive.

Tag 13 – Gera Lario – Barro – 13,2 km – /1380 Hm – \981 Hm


Tag 14 – Donnerstag, 6. Juli:

Das morgendliche Zeltabbau- und Geraffelzusammenpackritual wird nicht mehr beschrieben.

In der Nacht, so ca. um 1 Uhr grunzte in etwa 50m Entfernung eine tiefe Stimme, so etwa einmal pro Minute und das etwa 30 Minuten lang. Ich vermute, es war ein Wildschwein. Danach lief das Grunzen in eine andere Richtung und machte dort weiter. Ich war plötzlich hellwach und aufmerksam, sogar noch für ca. 1 Std. danach.

Unser Zeltplatz lag wirklich toll. Hier kann man gut sehen, wie sich die Natur die nicht mehr benutzten menschlichen Behausungen zurück holt. Irgendwie beruhigend.

Das Val Dorengo hat wirklich viele schöne und teils wilde Ecken zu bieten.

Von der anderen Seite des Tals haben wir nochmal eine tollen Blick auf unseren Lagerplatz.

Die Via Monti Lariani führt uns durch zwei Bergdörfer, die mit Straßenanschluss ausgestattet sind. Hauptfahrzeug ist hier …

Wir entdecken noch einen Oldtimer …

Moto Guzzi

In einer Bar frühstücken wir typisch italienisch einen ‚Cappu e Cornette‘.

Immer wieder begeistert mich die hiesige Brunnenkultur: in jedem belebten Ort und auch außerhalb gibt es freie Trinkwasserbrunnen. Schön, wenn es diese zu Hause auch gäbe.

Esskastanienkätzchen an Mulattiera

Schon am frühen Nachmittag erreichen wir unsere heutige Herberge …

… noch gerade rechtzeitig, um uns vor einem Gewitter mit heftigem Regen und Hagel in Sicherheit zu bringen.

Zum Abendessen hatte ich mal die Chance ein ‚Risotto ai Mirtilli‘ (Risotto mit Blaubeeren) zu probieren und zu genießen. Wird im Winter zu Hause nachgekocht.

Buon Appetito!

Tag 14 – Barro – Agriturismo Fonte – 10,2 km – /800 Hm – \597 Hm


Tag 15 – Freitag, 7. Juli:

Heute verlassen wir die Via dei Monti Lariani und den Sentiero Italia und machen uns von Italien in die Schweiz.

Wir steigen auf in ein wildes, schönes Stück Italien. Entlang unseres Weges treffen wir immer wieder auf verlassene Häuser. Der Aufwand, hier oben seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, muss immens gewesen sein.

Eines der vielen Täler, die wir queren, ist das Val dei Mulini. Wir suchen und finden einen Übergang auf die andere Seite des Baches.

Kleine Schönheit am Wegesrand

Hier wohnt und arbeitet ein Bauernpaar ganzjährig mit Kühen, Hühnern, anderen Kleintieren und gaaaanz viel Landschaft drumherum. Irgendwie machten mir die beiden einen zufriedenen, ausgeglichenen Eindruck.

Ohne Worte

Noch ein letzter Blick auf den Comer See bevor wir weglos uns zu einem Pass aufmachen, der den Übergang in die Schweiz ermöglicht.

Vor Jahrzehnten muss hier mal ein Weg gewesen sein. Doch dichte, bucklige Grasnarbe hat sich überall breit gemacht. Wir hangeln uns durch leicht schrofiges Grasgelände und ahnen nur wohin wir treten.

Der Schlussanstieg zur Bocchetta di Bragheggio gestaltet sich einfacher.

Der Abstieg erfolgt auf Schweizer Seite zunächst einfach.

Das ändert sich, als wir ein mit Grünerlen durchsetztes Blockgelände hinter uns bringen müssen. Dann noch steil durch lockeren Wald und unser Ziel, das Rifugio Cortin ist gegen 20 Uhr erreicht.

Die Hütte ist von der lokalen Jagdgemeinschaft errichtet und gut ausgestattet. Sie ist immer offen und bietet uns heute Nacht Unterschlupf.

Von einem späten einheimischen Besucher werden wir zuerst etwas grantig darüber informiert, dass wir uns vorab bei der Gemeinde hätten anmelden müssen. Als er dann hört, welch ungewöhnlichen Weg, der wirklich sehr selten begangen wird, wir hinter uns haben, ist alles wieder tutto bene. Einen Beitrag zum Hüttenerhalt können wir in eine dafür vorgesehene Kasse entrichten.

Zum selbst gekochten Abendessen (Steinpilzrisotto) werden wir noch mit einer ausgesprochen schönen ‚blauen Stunde‘ belohnt.

Tag 15 – Agriturismo Fonte – Rifugio Cortin – 9,8 km – /1498 Hm – \640 Hm


Tag 16 – Samstag, 8. Juli:

Der Abstieg nach Roveredo wird lang. Wir entscheiden uns für frühes Losgehen. Auch weil wir heute, Samstag, noch für die nächsten Tage einkaufen wollen.

Der Pfad schlängelt sich zunächst durch wilden, steilen Wald.

Ein Flüsschen muss kreativ überquert werden.

Die menschliche Zivilisation mit Asphalt, Schotter, Wochenendhäusern, etc. wächst uns langsam entgegen. Der Fotoapparat bleibt heute unbenutzt.

In Roveredo finden wir im ‚Grotto Zentralli‘ ein Zimmer zu schweizerischen Preisen. Am Abend singt im Garten ein italienisches Duo mit guten Stimmen und breitem Repertoire. Ein tiptop Tagesabschluss.

Tag 16 – Rifugio Cortin – Roveredo – 10,7 km – /337 Hm – \1705 Hm

2 Kommentare

  1. Christian
    9. Juli 2023
    Antworten

    Es ist so schön, Eurer Wanderung zu folgen! Erinnerungen werden wach.

    • 13. Juli 2023
      Antworten

      Auch bei mir kommen Erinnerungen hoch. Meist reduzieren sie sich auf die Übernachtungsplätze. Die Wege sind wie neu für mich.

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