Durch das Land der Skipetaren

Tag 73 – Samstag, 2. September:

Nur schwer können wir uns von Bec Villi, diesem schönen und gastfreundlichen Ort trennen.

Wir versprechen, nach der Rundtour wieder hierher zu kommen und gehen, mit einem Lunchpaket beschenkt, los.

Heute sind wir auf bereits bekannten Wegen hinüber ins Valbonatal unterwegs. Vor zwei Jahren sind wir nach einer Fährfahrt auf dem Komansee  über den Valbonapass  nach Theth gelaufen.

Die Aussichten auf die nordalbanischen Berge sind immer noch großartig.

Nur ist es heute viel voller. Ich komme mir vor wie auf der überfüllten Tour de Mont Blanc.

Wir sind zwar auf dem Weg ‚Peaks of the Balkans‘ unterwegs, …

… doch die meiste Wandernden machen eine beliebte Zweitagestour: von Shkoder mit dem Bus zum Komansee, weiter mit der Fähre nach Fierze, dann weiter mit dem Bus ins Valbonatal. Nach einer Übernachtung dann weiter über den Valbonapass und mit dem Bus wieder zurück nach Shkoder. So steht es wahrscheinlich in vielen ‚Albanien für Backpacker‘-Beschreibungen.

Wir begegnen ca. 300 jungen Menschen, international gut gestreut und gut gelaunt.

Das Café am Rand des Weges ist gut gefüllt …

… und auch am Pass steht man dicht gedrängt fürs Fotoshooting. Schnell weiter.

Rucksäcke werden auf Maultieren transportiert, damit Menschen sie nicht tragen müssen.

Mit toller Aussicht geht es hinab ins Valbonatal.

An diese schattenfreie, mehrere Kilometer lange Strecke durch weißen Flusskies kann ich mich gut erinnern. Es ist ziemlich ermüdend, hier durch zu gehen.

Zum Schluss bleibt uns noch die Asphaltstraße durch das Valbonatal, das bei albanischen und kosovarischen Wochenendurlaubern sehr beliebt ist. Fast alle Hotels und Guesthouses sind voll belegt.

Viele noch im Bau befindlichen Hotelbauten zeigen jetzt schon, wohin hier die Entwicklung gehen soll: mehr, Mehr, MEHR.

Zeugen der erst kürzlichen Vergangenheit sind genauso präsent, wie hier z.B. einer der Bunker aus albanischer Diktatur-Ära.

Wir finden Unterschlupf in einem Schlafsaal eines Guesthouses und bekommen ein vorzügliches Abendessen im angeschlossenen Restaurant serviert.

Die vielen Menschen auf dem Weg, der Marsch durchs Flussbett und der Abschluss über die Asphaltstraße haben uns müde gemacht.

Tag 73 – 21,3 km – /1323 Hm – \1549 Hm


Tag 74 – Sonntag, 3. September:

Noch ist alles tiptop! Wir sitzen am Frühstückstisch neuen albanischen Stils, und lassen es uns gut gehen.

Eine kurze Etappe nach Cerem, einem Dorf, das nur in den Sommermonaten bewohnt ist, liegt vor uns. Erst noch mühselige 1,5 Abwärts-km Asphalt und dann geht es bergan. Die Berge drumherum sind einfach beeindruckend.

Gleich rechts neben diesem Hotel in  albanischem Neubau-Stil geht der Weg knackig steil los.

Er ist schon ein bisschen zugewachsen und wir haben die Hoffnung, dass der Weg ab hier nun nicht mehr so voll ist.

Voll dagegen ist mein Magen vom typisch albanischen Frühstück: Brot, Omelett, Gurke, Tomate, Schafskäse, Würstchen, Feigenmarmelade, Honig, Kaffee und Wasser.

Irgendwie ist meinem Magen das alles zuviel. Mir wird elend und elender, bis sich ziemlich plötzlich mein Magen rückwärts entleert. Ab diesem Moment schwächele ich ziemlich und wir kommen mit häufigen Pausen nur langsam voran. Mein Mund fühlt sich permanent trocken an. Ich muss andauernd trinken.

Ein Abschnitt des Weges ist mit umliegenden Bäumen gepflastert. Es ist ein häufiges Drunter und Drüber.

Die uns umgebende Landschaft nehme ich nur begrenzt wahr, und gleichzeitig ist sie so malerisch.

Am Nachmittag erreichen wir in Cerem das Guesthouse, Bujtina Gocaj, das sogar ein richtiges Doppelzimmer mit eigener Dusche für uns frei hat. Sowas kann ich jetzt gut gebrauchen.

Ich mache ein Schläfchen, Lady C. besorgt mir Schwarztee mit Honig, der mir gut tut. Am Abend bin ich wieder fit, lasse aber, bis auf eine Portion Reis, alles Essen weg.

Parallel dazu entwickeln sich bei Lady C. die gleichen Phänomene. Jetzt sitze ich an ihrem Bett. Sie schläft. Ich hoffe, uns beiden geht es morgen wieder so gut, dass wir weiterziehen können.

Tag 74 – 7,8 km – /811 Hm – \362 Hm


Tag 75 – Montag, 4. September:

Ich bin wieder fit, doch leider schwächelt Lady C. weiterhin. Ein Versuch, die heutige Etappe nach Doberdol zu laufen, scheitert nach ca. 1,5 km. Wir gehen zurück zu unserer Unterkunft, wo wir unsere Pläne der neuen Realität anpassen.

Dort bekommen wir das Angebot mit dem Gepäcktransporteur eines Reiseveranstalters mitfahren zu können.

Der Gepäcktransporteur entpuppt sich als albanischer Allrad-Pickup-Fahrer, der alles über die wilden Pisten transportiert und anliefert, was die Menschen in den abgelegenen Höfen so brauchen.

Lieferdienst in Balkanien

Wir sind froh, mitsamt unseren Rucksäcken noch Platz in seinem Wagen zu finden und schaukeln ca. 2 Stunden über Steine und Schlaglöcher durch tolle Hochlandschaft entlang der Grenze von Montenegro und Albanien, bis wir letztendlich Doberdol auf einem Hochplateau auf ca. 1800 Hm erreichen.

Eine Streusiedlung von Schäfereien hat sich als zusätzliche Einnahmequelle die Beherbung von Wandernden erschlossen und baut sie aus. Im Sommer muss hier richtig was los sein.

Für die Betreiber sind wir leicht verrückt, weil wir ohne Notwendigkeit durch die Landschaft laufen, keine Schafe zusammentreiben, keine Zäune reparieren, keinen Käse ins Tal bringen, keine Waren hochtragen, keine Freunde besuchen. Nichts von alledem.

Es ist erst früher Nachmittag. Ich sitze am Fenster unseres doch recht kühlen Guesthouses …

… und habe zum ersten mal  in diesen 75 Tagen fast alle Kleidungsstücke an, die ich im Rucksack habe. Draußen ist es echt kalt und windig. Zusätzlich regnet es heftig. Ich bin froh, im Trocknen zu sitzen und versuche mich warm zu halten …

… was mir drei Stunden später immer noch nicht ganz gelingt. Ich liege im Bett, eingepackt in meinen Schlafsack, mit der vorhandenen Bettdecke betteckt und warte aufs Abendessen, was mir hoffentlich bekommen wird.

Auch Lady C. liegt im Bett warm eingepackt und, setzt jedoch beim Essen nochmal aus.


Tag 76 – Dienstag, 5. September:

6 Uhr: Es regnet und stürmt immer noch, so wie es die ganze Nacht getan hat. Unser Stelzenhaus wackelt etwas dabei im Wind, aber noch nicht verdächtig.

Draußen stehen vier Zelte, deren Bewohnende (4 Frauen, 2 Männer) ich nicht beneide und gleichzeitig ihre Konsequenz ein bisschen bewundere.
Wir haben ihnen angeboten, in unserem ‚Zimmer‘ bei Bedarf Unterschlupf finden zu können, – bisher anscheinend kein Bedarf.

Abschiedsfoto vom Guesthouse Bukshim in Doberdol.

Spät, um 9:30 Uhr machen wir uns los. Es soll nicht regnen aber stürmisch bleiben. Das merken wir bereits beim ersten Anstieg. Der Wind zerrt an uns, so dass wir manchmal nur wacklig auf den Beinen vorankommen.

Pferde, voll beladen mit Rücksäcken, kommen an uns vorbei und verschwinden im stürmischen Wolkennebel.

Ausgerechnet heute ist der Weg als Kammwanderung  zwischen Albanien und dem Kosovo beschrieben, – und dazu noch mit Panoramablick. Viel bekommen wir davon nicht mit.

Eher haben wir damit zu tun, an luftigen Pässen, die wir queren, auf den Beinen zu bleiben.

Letzendlich steigen wir ab vom Kamm in den Kosovo. Die Wolken lichten sich ein wenig und wir erblicken die Weite der Landschaft.

Wir passieren aktive bäuerliche Anwesen, die man eher dem 19. Jahrhundert zuordnen würde.

Kurz danach eine Erinnerungsstelle für im Kosovokrieg zu Beginn dieses Jahrhunderts getötete kosovo-albanische UCK-Kämpfer.

Die im Kosovo lebende Bevölkerung hat zu 90% albanische Ursprünge, genauso wie die Bevölkerung Albaniens. Das albanische Wort für Albaner ist ‚Shqiptarët‘, eingedeutscht ‚Skipetar‘.

In Milleshevic, auch eine bäuerliche Streusiedlung mit touristischen Nebeneinkünften, empfängt uns das Chalet Rrusta mit robuster und herzlicher Einfachheit.

Auf und in einem kleinen Holzofen wird ein tolles Abendessen bei Stirnlampenlicht zubereitet. Strom gibt es nur für die Gäste im ‚Livingroom‘.

Zusammen mit einer türkischen Reisegruppe, Schwaben, Kielern und Engländern erleben wir kosovarische Gastfreundlichkeit. Sogar die Familienräume werden für eine Nacht teilweise geräumt, um alle Gäste unterbringen zu können. Es gibt noch Lernfelder für uns.

Tag 76 – 16,3 km – /1065 Hm – \1188 Hm

2 Kommentare

  1. Josée & Mo
    7. September 2023
    Antworten

    Hi Papa, Josée and I just looked at your pictures, she likes them and said Hi !

    • 7. September 2023
      Antworten

      Hey Moritz, schön von dir und Josée zu lesen. Wir sind gerade im tiefen Kosovo bei mäßigem Wetter unterwegs. Und wo seid Ihr?

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