Tag 47 – Donnerstag, 15.8.: Vallouise – Saint-Blaise
Der Gite-Wart hat es einfach hier in Vallouise. Er holt mit dem Fahrradanhänger die notwendigen Zutaten für das nächste Abendessen. Bei Hütten in den Bergen ist manchmal ein Helikopter-Flug erforderlich.
Wir haben die Einrichtung ‚Gite d’étape‘ schätzen gelernt.
Sie bietet einfache Unterkunft mit solidem, einheitlichen Abendessen und Frühstück in Etappenorten an, durch die bekannte Wanderwege führen.
Wir ziehen weiter. Auf der Via Alpina ‚rot‘ geht es unspektakulär am Fluss Gyronde entlang, bevor wir in Les Vigneaux auf den GR50 wechseln. Dieser umrundet auch das Écrin, jedoch in größerer Distanz zur Kernzone und auf geringerer Höhe.
Es geht heute hauptsächlich über Forstwege und manchmal über schöne Waldpfade auf der Höhe entlang.
Ein letzter, etwas wehmütiger Rückblick in die Kernzone des Nationalparkes Écrins.
Durch viel Wald und kleine Weiler geht es weiter …
… vorbei an Häusern, Ton in Ton gehalten mit der umliegenden Landschaft. Klar, wenn hauptsächlich das lokal vorhandene Material zum Bauen benutzt wird.
Der Mittagstisch, auf einer von Schafen abgeweideten Wiese, fällt ländlich rustikal aus.
Am späten Nachmittag versuchen wir online ein Zimmer in Briançon zu bekommen. Vergeblich. Irgendetwas besonderes scheint es heute in Briançon zu geben. Zum Glück finden wir in dem Vorort Saint-Blaise ein Plätzchen für unser Zelt auf einem überraschend komfortablen und gut besuchten Campingplatz – inkl. abendlicher Livemusik und Jimi-Hendrix-Showeinlage.
Wir werden mit anderen ‚Eintagsbleibenden‘, wie Wandernden und Rad- und Motorradfahrenden auf der verwaisten Spielwiese des Campingplatzes untergebracht.
Beim Abendessen im Aufenthaltsraum zischen zwei große Biere nur so in uns hinein, gleichwohl die DGE nun postuliert, dass jeglicher Konsum von Alkohol die Gesundheit schädigt.
Tag 47 – 27,4 km – / 1291 Hm – \ 1273 Hm
Tag 48 – Freitag, 16.8.: Saint-Blaise – Briançon
Wir legen einen Pausentag ein. Ein paar Kilometer zu Fuß nach Briançon und wir werden von der Stadt aufgesaugt. Mir kommt es vor, wie in einem Ameisenhaufen. Ich bin das Menschengewimmel nicht mehr gewohnt.
Alle sind geschäftig, nur ist vordergründig nicht zu erkennen, zu welchem Zweck und inwieweit es notwendig oder sinnvoll ist und/oder zum Wohlbefinden aller beiträgt.
Lady C. muss sich auskurieren und besorgt sich in der Pharmacie Unterstützung. Ein Zimmer haben wir für heute in einem großen Hotel am Rande der Autobahn zu einem einigermaßen erschwinglichen Preis buchen können.
Wir hoffen, dass es für uns morgen weitergehen wird.
Tag 48 – 4,4 km – / 75 Hm – \ 0 Hm
Tag 49 – Samstag, 17.8.: Briançon – Gite de Vers le Col
Es geht weiter.
Nach einem Frühstück in einer Großbäckerei, ähnlich Backwerk bei uns, nur mit mehr persönlichem, freundlichem Service, laufen wir quer durch Briançon, das mir sehr im Umbruch scheint. Im Zentrum wird sowohl Neues gebaut wie auch alte Bausubstanz restauriert und auch beides miteinander kombiniert.
Briançon muss vor langer Zeit eine Schlüsselstelle bei der Verteidigung von – das habe ich noch nicht rausbekommen – gehabt haben. Auf jeden Fall sind hier eine Menge Festungen errichtet worden.Wird zu Hause geklärt, was es damit auf sich hat.
Der GR5 ist für die nächsten Tage unser Leitfaden durch die französischen Alpen. Unter anderem führt dieser Weg vom Genfer See bis nach Nizza am Mittelmeer. Dieser Abschnitt des GR5 wird auch die ‚Grande Traversée des Alpes‘ (g.t.a.) genannt und wurde als Idee 1971 geboren.
Auf italienischer Seite wurde in Ergänzung dazu die Idee für die ‚Grande Traversata delle Alpi‘ (GTA) vom Griesspass bis nach Ventimiglia am Mittelmeer ab Mitte der 1970er Jahre entwickelt.
Langsam steigen wir auf ins Val d’Ayes. Ehemalige Bauernhäuser, teils verfallen, teils in Ferienhäuser umfunktioniert, begleiten unseren Aufstieg.
Kurz vor dem letzten Anstieg zum Col beginnt es leicht zu regnen. Die Wolkendecke zieht zu. Noch 5 Stunden Wanderzeit liegen vor uns. Wir entscheiden uns in der letzten Möglichkeit vor dem Col, dem Gite de Vers le Col, einer Selbstversorger-Unterkunft auf 2147 Hm, zu bleiben.
Gut entschieden, denn ab diesem Zeitpunkt setzt leichter Dauerregen ein.
Es ist eine einfache, saubere und mit dem Notwendigsten ausgestattete Hütte: Tisch, Stühle, Bänke, Schlafstellen, zusammengeschraubt aus Holzbrettern, und einem Ofen, den wir in den Abendstunden zum Aufwärmen anfeuern.
Genüsslich schauen wir aus dem Trockenen dem Regentreiben …
… und dem Wolkenspiel zu, …
… das die Aussicht zum Col d’Ayes geheimnisvoll umschleiert.
Derweil lassen wir uns unser immer köstliches, selbst fabriziertes Abendessen schmecken.
Tag 49 – 14,4 km – / 1200 Hm – \ 304 Hm
Tag 50 – Sonntag, 18.8.: Gite de Vers le Col – Ville-Vieille
5:40 Uhr. Noch ist es dunkel. Der Gasbrenner heizt das Kaffeewasser auf. Ein kurzes Müslifrühstück folgt.
Die Erde ist noch nass vom gestrigen Regen, die Luft erfrischend kühl und trocken.
Nach einem kurzen Aufstieg zum Col d’Ayes (2478 Hm) sehen wir in die Region Queyras, die zu den Cottischen Alpen gehört. Diese wiederum liegen länderübergreifend in Italien und Frankreich.
Mit ca. 3,7!! Einwohnern pro qkm hat die Region Queyras (615 qkm) die geringste Menschenbesiedlung Frankreichs.
Es geht durch wunderschöne Alpage-Gebiete, …
… aber auch über Schottersträßchen müssen wir lange hinunterlaufen.
Es geht durch Weiler, Wälder und Wiesen und ähnelt mehr einer Wanderung im Mittelgebirge – nur, dass wir uns hier zwischen 1400 Hm und 2000 Hm bewegen.
Am Lac du Roue, einem langsam zuwachsenden See, rasten wir zu Mittag.
Wir erreichen unser heutiges Ziel, die Gite Astragales in Ville-Vieille, bereits um 16 Uhr.
Wie bisher immer in diesen Gites, fühlen wir uns sofort zu Hause.
Das gemeinsame Abendessen, eingenommen mit ca. 30 anderen Gästen, ist köstlich und gleichzeitig gut sättigend, so dass ich jetzt entspannt im Geist und gespannt am Ranzen das Wandertagebilderbuch schließe.
Tag 50 – 19,4 km – / 795 Hm – \ 1562 Hm
Tag 51 – Montag, 19.8.: Genesungstag in Ville-Vieille
Es kommt meist anders als geplant.
Lady C. braucht nochmal medizinische Unterstützung. Zum Glück gibt es ein kleines Hospital im Nachbarort Aiguilles. Dank an den Gite-Wart, der uns schnell und unkompliziert unterstützt hat.
Ein superfreundlicher Busfahrer fährt uns nach Aiguilles und erklärt uns, bevor wir aussteigen, wo wir den etwas versteckten Eingang zum Hospital finden und wie wir zur nächsten Pharmacie kommen. Merci bien!
Obwohl das Queyras eine ländliche und einsame Gegend ist, scheint die Gesundheitsversorgung wirklich gut zu sein. Nach kurzer Wartezeit bekommt Lady C. ganz unkompliziert eine sehr gute ärztliche Betreuung, entsprechende Medikamentierung und absichernde Laboruntersuchung. Jetzt wissen wir, dass mindestens heute und morgen Ruhe- und Genesungstage sein werden.
Nebenbei sehe ich noch ein Bürgermeisteramt, wie es nicht besser aus einem alten französischen Film stammen könnte.
Das Vagabundieren hat Pause, was sowohl Lady C. wie auch mir schwerfällt, unter anderem weil derzeit wunderbares Wanderwetter vorherrscht.
Die Gite Astragales kann uns noch für eine weitere Nacht beherbergen. Für die Folgenacht finden wir mit Unterstützung der Gite-Wartin im Nachbarort La Rue die Gite Les Arolles, die uns für einen weiteren Tag aufnimmt. Irgendwie gibt es immer wieder eine Lösung.
Tag 52 – Dienstag, 20.8.: Genesungstag in La Rue
Wir sind in die Gite Les Arolles in La Rue umgezogen, ein paar Busminuten von Ville-Vieille entfernt.
Das Dorf hat einen besonderen Charakter, da hier Holz als Baumaterial vorherrscht.
Es erinnert mich ein wenig an die Walserhäuser im nördlichen Piemont bei Alagna und Macugnaga.
Ein richtiger Herumdöstag ist das. Die Ruhe tut gut und gleichzeitig wollen wir weiter laufen. Ein inneres Hin- Hergezerre.
Am Abend werden wir von den Kochkünsten der beiden jungen Gite-Betreibenden überaus positiv überrascht. Auch das trägt zur schnellen Wiederkehr der Kräfte bei.
Mich beeindrucken immer wieder die spontan aufkommende Kommunikation und Geselligkeit zwischen bisher unbekannten Menschen durch deren Platzierung an einem langen Essenstisch.
Wir hoffen, dass die beiden Ruhetage für Lady C.s Genesung ausgereicht haben und ziehen ab morgen weiter auf dem GR5 durch das Queyras gen Süden.
Wieder wunderbare Eindrücke. Ich hoffe, dass ihr weiterziehen konntet. Liebe Grüße Heidi 🤓