Soonwaldsteig im April

Kaum dem Schnee der Schweizer Berge entsprungen, juckt es mich in meinen Wanderfüßen. Diesmal ist der Soonwaldsteig das Objekt meiner Bewanderung.

Der führt natürlich durch den Soonwald, der im südöstlichen Hunsrück liegt. Laut Beschreibung so ganz nach meinem Geschmack: ca. 85km führt er nur durch Wald und Wiesen durch eine für Deutschland wenig besiedelte Gegend. Von Kirn an der Nahe geht es nach Osten bis Bingen am Rhein.


Freitag, 12.4. – Tag 1:

Um 6:13 Uhr bringen mich Deutschlandticket und Regionalzüge über Frankfurt und Mainz in akzeptabler Bahnfahrzeit nach Kirn. Ankunft: 11:30 Uhr.

Ein uninteressanter Hatscher durch den Ort führt mich hinaus aus Kirn, vorbei an einer der vielen Burgruinen aus dem Mittelalter.

Jetzt wird es grüner und der Soonwald saugt mich auf. Der Weg durch den Niederwald ist sehr verschiedenartig und frühlingshaft idyllisch.

Im Sommer umgibt die Wandernden bestimmt ein grüner Tunnel.

Tonschiefer herrscht hier als obere Gesteinslage vor. Darunter liegt Quarzit, aus dem Erdinnern vor ca. 500 Millionen Jahren hervorgedrungen.

Der Tonschiefer ähnelt dem Schiefer am Edersee.

Seit dem Mittelalter bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts wurde hier zink- und bleihaltiges Gestein abgebaut. Übrig geblieben davon sind eine begehbare Besuchergrube und zwei kleine Tunnel, durch die das Gestein abtransportiert wurde. Heute führt der Wanderweg direkt hindurch.

Nach gut fünf Stunden Gehzeit erreiche ich die Ruine Schmidtburg, eine großflächige mittelalterliche Burganlage. Einige Parzellen werden für den Soonwaldsteig als „TrekkingCamp“ genutzt.

Für den „Zwinger“ habe ich mich für diese Nacht online eingebucht.

Es gibt je Camp eine gemeinsame Komposttoilette. Eine offene Trinkwasserstelle gibt es bei der Besuchergrube (ca. 700m Entfernung). Das Trinkwasser auf der gesamten Strecke ist knapp. Daher ist ein Netz offen zugänglicher Wasserhähne eingerichtet worden, die in einer gpx-Datei verzeichnet sind, heruntergeladen und in die Offline-Karte im mobiltel eingebettet werden können.

Anscheinend bin ich auf diesem „TrekkingCamp“ der einzige, der wandernd unterwegs ist. Eltern mit Kindern nutzen dieses Angebot als niederschwelligen Einstieg ins Zelten. Bis ca. 1 km vor dem Zeltplatz kann man mit dem Auto heranfahren, um dann den Rest mit dem ganzen Übernachtungsgeraffel zu Fuß zu erobern. Entsprechend erschöpft zeigen sich insbesondere die Kinder.

Tag 1: 17 km – /760Hm – \670Hm


Samstag, 13.4. – Tag 2:

Eine längere Strecke als gestern liegt vor mir. Ich stehe um 5:30 Uhr auf. Es dämmert schwach. Das Zelt ist außen nass vom Morgentau und innen feucht vom Kondenswasser. Zusätzlich ist es kalt. Mütze, Handschuhe, lange Unterwäsche: alles ist im Einsatz.

Nachdem ich meine Sachen zusammen geraffelt habe, laufe ich sofort los. Das TrekkingCamp schlummert noch weiter vor sich hin.

Ich laufe mich warm über wirklich schöne Wege.

Zwei Stunden später, mit Frühstücksappetit, erreiche ich den Teufelsfels und stoße auf die Teufelsfelshütte.

Sie ist für mich ideal, um komfortabel in der Sonne zu frühstücken und das Zelt zu trocknen.

Die Innenausstattung lässt auch eine Übernachtung zu, inkl. Schlaflager, das über eine kleine Leiter erreichbar ist.

Sogar Wasser in Flaschen ist gegen moderate Gebühr zu bekommen.

Fazit: Wenn man die Energie hat, am ersten Tag gleich bis hierher zu laufen, hat man eine ganz tolle und trockne Alternative zur Übernachtung.

Auf schönen Wegen, gespickt mit bemoostem Quarzitgestein geht es weiter durch den Soonwald. Ich begegne den ganzen Tag über keinem Menschen.

Der Soonwaldsteig ist in Teilen mit dem Europäischen Fernwanderweg E3, der sich vom Atlantik bis zum Böhmerwald erstreckt, identisch.

Ungefähr 6 km vor dem nächsten wasserlosen TrekkingCamp fülle ich meine Wasservorräte am einem kleinen Wasserlauf mitten im Wald auf. Weit und breit keine Menschen-, Gebäude- oder Tieransammlung. Da wird das Wasser wohl im Ordnung sein.

Quarzitfels im Wald

Der Weg ist vielfältig und wegen der noch jungen Begrünung hell und luftig. Der grüne Tunnel wird noch kommen.

Anstelle von Menschen treffe ich auf andere Lebewesen, – diesmal ist es eine Eidechse.

Anscheinend mögen es die Hunsrücker, auf Kuppen noch einen Turm für eine bessere Rundumsicht draufzusetzen. Das treffe ich häufiger an.

Die Aussicht ist zwar weit, doch ist die Landschaft ringsum für mich nicht sensationell oder besonders beeindruckend.

Um halb sechs Uhr am Abend erreiche ich das TrekkingCamp Ellerspring, ein idyllisches Plätzchen mitten im Wald, ganz in der Nähe der höchsten Erhebung des Soonwaldes, der Ellerspring (657Hm).

Wieder treffe ich hier eine Familie mit Kindern und diesmal noch drei Bushcrafter, die ihre Outdoor-Ausrüstung mal Frühlingsluft schnuppern lassen wollen. Sogar selbst hergestellte Messer kommen zum Einsatz. Beide Gruppen kommen vom 700m entfernten Parkplatz, wo sie ihr Auto parkiert haben. Ich scheine derzeit wirklich der einzige Wanderer auf dem Soonwaldsteig zu sein …

Mein Übernachtungsplatz ist unspektakulär, jedoch trockener und wärmer als der in der vorherigen Nacht.

Tag 2: 27 km – /1000Hm \670Hm


Sonntag, 14.4. – Tag 3:

Wieder ist 5:30 Uhr meine Weck- und 6:30 Uhr meine Startzeit. Ich möchte heute bis ca. 8 km vor Bingen laufen, um morgen um die Mittagszeit dort die Bahn nach Kassel zu erreichen.

Zunächst geht es über ziemlich langweilige Forstwirtschaftswege und anschließend durch einen technisch zwar interessanten und derzeit aus Gründen der Energiegewinnung noch notwendigen „Windpark“ mit gefühlt hunderten von Windrädern.

Dann, im Ingelheimer Stadtwald wird es wieder schöner und die Anzahl der Sonntagswandernden und Naherholungssuchenden nimmt zu. Ich zapfe an der Löschhütte, einem beliebten Ausflugsziel, nochmal Trinkwasser für den Abend.

Das Morgenbachtal ist ein Naturschutzgebiet, durch das der Morgenbach fließt. Er ist einer der vielen kleinen Zuflüsse des Rheins.

Das steilhangige Tal ist vielleicht schon seit Jahrhunderten durch einen Weg und Stützmauern erschlossen.

Am späten Nachmittag erreiche ich die Höhen des Rheintals mit Blick auf den Rhein und die Burg Reichenstein.

Wie bestellt platziert sich ein Pärchen, entsprungen aus der Jugendstilzeit, auf den Aussichtspunkt, gerade recht zum verpixeln.

Hier zu übernachten wäre echt gut. Doch ein Blick auf meteoblue zeigt mir, dass es in der Nacht wahrscheinlich zu regnen beginnt. Die nächste überdachte Übernachtungsmöglichkeit ist die Prinzenkopfhütte kurz vor Bingen. Also weiter.

Der Soonwaldsteig ist hier identisch mit dem Rheinburgenweg und ein wirklich schöner Höhenweg entlang des Rheins. Leider wird der Blick auf diesen durch das ständig zunehmende Baumgrün stark eingeschränkt.

Ich komme an idyllisch gelegenen Ausflugslokalen vorbei, die am heutigen milden Sonntagabend gut besucht sind.

Allzu menschlich fahren fast alle mit dem Auto bis kurz vor die Gaststätte.

Die Prinzenkopfhütte ist schon durch einen ortsansässigen Obdachlosen belegt. Gegönnt sei ihm dieser schöne Ort. Also weiter. Parallel, zum für mittelerdige Verhältnisse recht steilen Abstieg, besorge ich mir online eine Unterkunft in Bingen.

Der Mäuseturm, das Binger Wahrzeichen, zeigt mir, dass ich nach 41 km mein Tagesziel erreicht habe. Der Ursprung des Namens hat nichts mit Mäusen zu tun, sondern  „geht wohl auf mittelhochdeutsch mûsen ‚spähen, lauern‘ oder auf althochdeutsch muta ‚Wegezoll‘ zurück.

Tag 3: 41 km – /1030Hm – \1560Hm

Gesamt: 2,5 Tage – 85 km – /2790Hm – \2900Hm

Ich finde Unterschlupf im Hotel Krone, genieße Dusche, Bett und das Frühstück am nächsten Morgen.

Fazit:

  • Der Soonwaldsteig ist für Mittelgebirgsverhältnisse in Deutschland eine gute, fast einsame Mehrtageswanderung, die an einem verlängerten Wochenende durchführbar ist.
  • Vom 12.4. bis 14.4. war ich anscheinend der einzige, der den gesamten Soonwaldsteig gewandert ist. Mir sind keine Wandernden mit großen Rücksäcken entgegen gekommen und ich habe keine überholt oder bin überholt worden. Wie wohl die Auslastung des Soonwaldsteigs von Mai bis September ist?
  • Die Trekkingcamps ermöglichen eine halbwegs individuelle Etappenplanung. „Halbwegs“, weil die online-Buchung nur während normaler Geschäftszeiten per E-Mail bestätigt wird und dadurch eine spontanes Buchen der TrekkingCamps lediglich eingeschränkt möglich ist.
  • Die Wasservorräte können wegen der offen zugänglichen Wasserhähne gut nachgefüllt werden. Ab dieser Nachfüllung hat man bis zum nächsten Etappenziel doch ein paar Kilo mehr zu tragen, was man gerade am Ende des Tagespensums spürt.
  • Der durch den Windpark führende Soonwaldsteig (hauptsächlich vor und nach Rheinböllen) ist leider nicht (mehr) so attraktiv. Motto: Augen auf und durch, – und das für mehrere Stunden. Es sind nicht die Windräder an sich, die stören. Es sind die notwendigen breiten und ziemlich hässlichen Zufahrtwege zu den Windkraftanlagen, die den Wald zerfurchen und ehemals schöne, kleine Wege zerstört haben. Das ist der Preis unseres momentanen und weiterhin steigenden Energiebedarfes.
  • Der Weg durch das Morgenbachtal und entlang des Rheinburgenweges bis Bingen ist ein würdiger Abschluss und ein bisschen Entschädigung für das vorangegangene Gelatsche durch den Windpark.
  • Sowohl die Website des Soonwaldsteiges als auch der Pocketguide über den Soonwaldsteig übertreiben bei der Beschreibung in ihrer Wortwahl. Der Weg führt nicht durch Wildnis sondern meist durch mehr oder weniger kultivierte Landschaft, ist nicht abenteuerlich sondern erlebnisreich, die Aussichten nicht sensationell sondern allerhöchstens schön, usw.
    Welche Worte will man nutzen, wenn ein Weg mal wirklich durch Wildnis führt, abenteuerlich ist und eine Aussicht wirklich sensationell ist?
    Der Soonwaldsteig ist auch ohne diese Übertreibungen eine Mehrtageswanderung wirklich wert.

Nachruf:

Die Laufzeit meiner Wanderschuhe, die ich im letzten Jahr gekauft habe, geht nun nach ca. 1000 km zu Ende.

Die Brandsohle ist seit längerem schon gebrochen. Jetzt löst sich auch noch die Laufsohle ab. Nicht mehr reparabel. Dank an die Schuhe, die mich bequem und zuverlässig getragen haben, – und an den Hersteller für das doch hochqualitative Schuhwerk. Es liegt nicht an den Schuhen, sondern an der Laufleistung, dass sie bei mir so schnell ihr Ende erreichen. Das nächste Paar (das gleiche Modell) steht bereits zu Hause für die nächsten Touren …

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